
Antwort von Holger Herlitschke auf ein Schreiben der Gewerkschaft Verdi vom 07.05.2014
Schreiben des Verdi-Geschäftsführers Sebastian Wertmüller vom 07.05.2014:
„Sehr geehrter Herr Herlitschke,
ver.di hat sich ein paar Gedanken gemacht, mit welchen Erwartungshaltungen wir die Oberbürgermeisterwahl in Braunschweig verbinden.
Dabei hat uns die Einschätzung umgetrieben, dass viele der Arbeitsbereiche einer Großstadt eng mit den Betreuungsbereichen unserer Gewerkschaft verbunden sind. Das betrifft nicht nur die Stadtverwaltung mit all ihren verschiedenen Bereichen, sondern u. a. auch das Klinikum, den Öffentlichen Personennahverkehr, die Ver- und Entsorgung, die Erwachsenenbildung (VHS) und die Arbeitsverwaltung (Jobcenter). Aber auch die Innenstadtentwicklung mit Blick auf den Einzelhandel, die Sparkassenlandschaft etc. werden maßgeblich von den Entscheidungen im Rat und von der Politik des Oberbürgermeisters geprägt.
Vor diesem Hintergrund haben wir einige unserer Erwartungshaltungen an den neuen Braunschweiger Oberbürgermeister spiegelstrichartig zusammengestellt und stellen sie Ihnen hiermit zur Verfügung (siehe Anhang). Wir würden uns sehr freuen, wenn unsere Anregungen auf Ihr Interesse stoßen. Noch mehr freuen wir uns natürlich über Rückmeldungen bzw. Stellungnahmen zu einzelnen oder mehreren der aufgeführten Positionen. Bei Interesse Ihrerseits können wir gerne ein Gespräch in die Wege dazu leiten.
Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Wertmüller“
Anlage:
Antwort unseres OB-Kandidaten Holger Herlitschke vom 20.05.2014:
„Sehr geehrter Herr Wertmüller,
vielen Dank für Ihre Anfrage und die Übersendung Ihrer Erwartungen an den zukünftigen Braunschweiger Oberbürgermeister. Wir können sehr gerne ein Gespräch über die von ver.di formulierten Wünsche führen, wenn es uns gelingt, einen gemeinsamen Termin zu finden. (…)
Zu den einzelnen Stichworten von ver.di möchte ich folgendes antworten:
Stichwort „Konzerngesellschaften“:
Ihren Thesen kann ich so gut wie vollständig zustimmen, gleichen sie doch überwiegend fast wörtlich Formulierungen aus unserem Kommunalwahlprogramm 2011. Gleichwohl wird es nicht in allen Punkten kurzfristig möglich sein, das genannte Idealziel zu erreichen. So ist beispielsweise die Diskussion um die Bindung von VHS und ausgegliederten Klinikumsgesellschaften an den TVöD erst kürzlich geführt worden und die Mehrheit des Rates hat sich für eine Lösung entschieden, die eben diese Tarifbindung nicht enthält. Von daher wird es auch einem neuen Oberbürgermeister nicht leicht fallen, dieses Rad zurückzudrehen. Beim PPP-Projekt waren wir schon bei dem abgeschlossenen Vertrag der Stadt im Unterschied zum Personalrat konsequent dagegen und haben nicht die Absicht, neue PPP-Projekte zu initiieren. Der Satz zur Prüfung von Rekommunalisierungsmöglichkeiten findet sich fast wörtlich in unserem Kommunalwahlprogramm und wir beabsichtigen, die ersten Schritte dazu noch in dieser Ratsperiode zu gehen.
Stichwort „Gute Arbeit in der Verwaltung“:
Das von Ihnen benannte Thema des Führungsstils und des Umgangs mit VerwaltungsmitarbeiterInnen hat für mich hohe Priorität und ich sehe gerade hier ein großes Verbesserungspotential zum Nutzen für alle Bürgerinnen und Bürger. Aus meiner Sicht ist in den vergangenen 12 Jahren das „Alleinführungsprinzip“ übertrieben worden und dadurch das Potential an selbstverantwortlichem Handeln, das zu einer höheren Motivation führt, ungenutzt geblieben.
Stichwort „Wirtschaftsförderung / Innenstadtentwicklung“:
Ihre Thesen zur Wirtschaftsförderung und zur Innenstadtentwicklung teile ich ebenfalls, auch wenn natürlich die Ausschreibungsvorschriften des Landes nicht außer Kraft gesetzt werden können Auch ich will eine starke Innenstadt und eine Ausweitung von Verkaufsflächen im Randbereich darf diese nicht gefährden. Wie schon in der Vergangenheit praktiziert würde ich als Oberbürgermeister das direkte Gespräch mit allen Beteiligten – und dazu gehören natürlich auch die Betriebsräte – suchen, um eine konsensuale Lösung zu entwickeln.
Stichwort „Regionsdiskussion“:
Ich halte es für dringend notwendig, die regionale Kooperation erheblich zu verbessern. Wie dies strategisch am besten gelingen kann, vermag ich nicht vorherzusagen, entscheidend wird aus meiner Sicht jedoch sein, die Interessen aller Beteiligten ernst zu nehmen und nicht nur das eigene Interesse über das der anderen zu stellen. Nur bei entsprechender Fairness und ehrlichem partnerschaftlichem Umgang miteinander haben wir die Chance, eine Region zu bilden. Den Öffentlichen Personennahverkehr regionsweit zu verbessern, ist mir ein besonderes Anliegen.
Stichwort „Bürgerbeteiligung / Stadtgesellschaft“:
Ich stimme Ihren Thesen zu. Bei der Beteiligung der BürgerInnen an der Stadtentwicklung erscheint es mir vor allem notwendig, möglichst frühzeitig, also noch bevor die Verwaltung einen Plan gemacht hat, die Menschen in einem offenen Dialog an der Entwicklung von Visionen und Zielen teilhaben zu lassen.
Stichwort „Wohnen“:
Ja, deshalb haben wir auch gerade einen Ratsantrag zur Schaffung eines Wohnungsbauförderungsprogramms eingebracht (Nähere Informationen dazu finden Sie auf unserer Homepage unter http://gruene-braunschweig.de/?p=7297).
Stichwort „Demografie“:
Den „demographischen Wandel“ zu gestalten und hierzu in Netzwerken zu arbeiten halte ich für eine selbstverständliche Aufgabe der Verwaltung. Gerade dieses Thema muss allerdings auch in einem Rahmen, der über das Stadtgebiet Braunschweigs hinausgeht, bearbeitet werden.
Stichwort „Soziales“:
Ihre Forderungen sind in meinen Augen eher Mindestanforderungen und ich würde als Oberbürgermeister gemeinsam mit den VerwaltungsmitarbeiterInnen, freien Trägern und Gewerkschaften einen runden Tisch einrichten, um für die doch sehr komplexen und schwierigen Aufgaben im sozialen Bereich möglichst viele und gerne auch neue Ideen zu entwickeln. Ich gebe mich nicht der Illusion hin, damit alle gesellschaftlich bedingten sozialen Ungerechtigkeiten und Notlagen überwinden zu können, aber ich möchte gerne die Solidarität der Menschen in Braunschweig für einander stärken.
Stichwort „Pflege / Gesundheit“:
Nach meiner Wahrnehmung ist die Pflege älterer Menschen bereits ein – auch kommunales – „gesellschaftliches Thema“, das immer wieder in den Ratsgremien angesprochen wird. Allerdings gilt auch hier, dass das bundesweite Problem der Unterfinanzierung der Pflegeversicherung nicht kommunal gelöst werden wird. In Bezug auf das Klinikum sind wir als GRÜNE stets für einen Erhalt in städtischer Hand eingetreten. Wir sehen hier allerdings auch die riesige Schwierigkeit, in Konkurrenz zu privaten Klinikbetreibern gut qualifizierte MitarbeiterInnen zu gewinnen und zu halten und zugleich den von den Krankenkassen fixierten Kostenrahmen einzuhalten. Dieser Rahmen hat innerhalb des Klinikums schon zu stellenweise unvertretbaren Arbeitsbelastungen bei unzureichender Bezahlung geführt. Es wird auch hier notwendig sein, auf kommunaler Ebene gute Lösungen zu finden und zugleich die bundespolitischen Voraussetzungen zu verbessern.
Ich wünsche mir, dass der bisher gepflegte Kontakt zwischen mir bzw. meiner Fraktion und der Gewerkschaft ver.di auch in Zukunft weiter fortgesetzt wird und wir möglichst gemeinschaftlich Lösungen für die kommunalpolitisch anstehenden Aufgaben finden.
Mit freundlichen Grüßen
Holger Herlitschke“
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