
Nicht immer, aber immer öfter werden GRÜNE Ideen von der Braunschweiger Verwaltungsspitze ernst genommen und manchmal sogar in die Tat umgesetzt: So kam es unlängst, am 20. August 2009, aufgrund eines intern geäußerten Vorschlags des GRÜNEN Fraktionsvorsitzenden Holger Herlitschke zu einer Expertenanhörung in Sachen Rathaus-Neubau. Teilnehmer dieses Hearings waren die Braunschweiger Architekten Prof. Walter Ackers, Stefan Giesler, Rainer Ottinger und Holger Herlitschke (in einer fachlichen und politischen Doppelrolle), der Heilbronner Architekt Matthias Müller, der Projektsteuerer Hans-Joachim Lüer von der ortsansässigen Firma Assmann sowie der hiesige Stadtbaurat Wolfgang Zwafelink. Moderiert wurde die Veranstaltung von Oberbürgermeister Dr. Gert Hoffmann (CDU). Eingeladen waren neben sämtlichen Ratsmitgliedern auch die betroffenen Eigentümer und Mieter des Rathaus-Neubaus sowie die örtliche Presse.
Im Vorfeld hatte es allerdings starke Irritationen bezüglich des geplanten Ablaufs der Anhörung gegeben. In der Einladung des Oberbürgermeisters vom 12. August 2009 hieß es wörtlich: „Ich hoffe, dass die Veranstaltung Ihr Interesse findet und Sie Verständnis dafür haben, dass allerdings nur auf dem „Podium“ diskutiert wird und auch Zuhörer- bzw. Pressefragen nicht möglich sein werden, weil ich konzentriert eine fachliche Meinungsbildung und Beratungshilfe für meinen Verwaltungsvorschlag für den Rat erreichen möchte.“
Insbesondere dieser Passus rief nun wieder die GRÜNEN und die LINKEN auf den Plan. Während allerdings die LINKEN am 14. August 2009 in einem Offenen Brief an den GRÜNEN Fraktionsvorsitzenden zum Boykott der genannten Veranstaltung aufriefen, bemühten sich die GRÜNEN um eine andere Ausrichtung derselben. Schwerpunkt ihres weitaus sachlicheren Offenen Briefs an den Oberbürgermeister vom 17. August 2009 war die Bitte, die Veranstaltung nicht nur rats- bzw. teilöffentlich durchzuführen, sondern (bürger)öffentlich. Die Reaktion des Oberbürgermeisters auf diese beiden Offenen Briefe (wobei ja nur der zweite an ihn gerichtet war) bestand im Wesentlichen aus Wahlkampfgetöse und einer widersprüchlichen Rechtfertigung seiner umstrittenen Herangehensweise.

Nichtsdestotrotz verlief die Expertenanhörung im Großen Sitzungssaal friedlich und konstruktiv. Was die architektonische Beurteilung des Rathaus-Neubaus angeht, stand die Debatte „fifty-fifty“. Während Prof. Walter Ackers, Rainer Ottinger und Holger Herlitschke dafür warben, dessen Qualitäten nicht zu unterschätzen und eine Komplettsanierung nicht auszuschließen, sprachen sich Stefan Giesler, Matthias Müller und natürlich Stadtbaurat Wolfgang Zwafelink – argumentativ flankiert von Projektsteuerer Hans-Joachim Lüer – für einen Teilabriss plus Teilsanierung aus. Anders als vielleicht von manchem erwartet stand also der GRÜNE Fraktionsvorsitzende nicht „allein auf weiter Flur“.
In einer Pressemitteilung des Oberbürgermeisters vom 22. August 2008 ist trotz alledem die Rede davon, dass die Bauästhetik des Gebäudes „wohl mehrheitlich abgelehnt“ werde. Auch die Aussage von Dr. Gert Hoffmann, dass die Baukostenberechnungen der Verwaltung und des Fachbüros Assmann „hieb- und stichfest aus der Anhörung herausgekommen“ seien, kommt einem seltsam vor, wenn man sich die diesbezüglichen Äußerungen auf dem Podium in Erinnerung ruft.
Der GRÜNE Fraktionschef Holger Herlitschke zog jedenfalls im Anschluss an die Veranstaltung ein völlig anderes Fazit als der Oberbürgermeister:
„Die interessante Anhörung hat meine Ansicht noch verstärkt, dass es unbedingt einen ergebnisoffenen Architektenwettbewerb für dieses wichtige Gebäude an diesem zentralen Standort geben muss. Ergebnisoffen heißt, dass die Vorgabe nicht – wie bei den bisherigen Entwürfen – zwingend Teilabriss bzw. Rückbau lauten darf. Denn es gibt durchaus viele andere Möglichkeiten, den Rathaus-Neubau attraktiver zu gestalten, auch in seiner jetzigen Größe.
Obwohl die Verwaltung immer behauptet, die Komplettsanierung sei die teuerste Variante, zweifele ich diese Aussage nach wie vor an. Bislang gibt es keine wirkliche Kostentransparenz in Bezug auf die verschiedenen Varianten. Es fehlen die Energie- und die Herrichtungskosten, die bei der Anmietung dezentraler Büroräume für die städtischen Beschäftigten anfallen würden. Insofern sind die finanziellen Belastungen durch einen oder mehrere Fremdstandorte künstlich schöngerechnet.“