Redebeitrag von Leonore Köhler
Zentrales Thema der Ratssitzung am 17. Dezember 2024 (Di.) war die Haushaltssatzung 2025 / 2026 der Stadt Braunschweig (TOP 9). Die Haushaltsmehrheit wurde auch diesmal wieder von SPD und GRÜNEN sichergestellt. Beide Ratsfraktionen hatten im Vorfeld sehr intensiv und schließlich erfolgreich über den im Juni 2024 vorgelegten Verwaltungsentwurf und die dazu eingereichten Fraktionsanträge verhandelt.
Wir dokumentieren hier den Redebeitrag unserer Fraktionsvorsitzenden und finanzpolitischen Sprecherin Leonore Köhler zum zweiten Doppelhaushalt (Es gilt das gesprochene Wort):
„Sehr geehrter Herr Vorsitzender, liebe Kolleg*innen,
„„Dramatische Finanzlage“: Braunschweig schlittert in die Krise“ – so titelte gestern die Braunschweiger Zeitung und eröffnete damit die klassische Debatte zur wirtschaftlichen Situation Braunschweigs: „Alle Jahre wieder.“ Nun passt das Motto auch endlich zur Weihnachtszeit.
Auch in den letzten Haushaltsdebatten wurde die Lage immer wieder als dramatisch bezeichnet und prognostiziert, dass Braunschweig kurz vor dem Ruin stehe. Diesmal sieht es sogar noch dramatischer aus – es scheint so, als können wir ein Haushaltssicherungskonzept nach 2026 nicht mehr abwenden. Doch die Wahrheit ist: Genau wissen wir auch heute nicht, wo Braunschweig finanziell steht. Denn der Jahresabschluss der letzten drei Jahre ist noch offen. Damit bleibt unklar, wie genau unsere finanzielle Absprungbasis für diesen Doppelhaushalt eigentlich aussieht und in der Vergangenheit gab es durchaus schon den Fall, dass die Realität doch besser war als die Prognose.
Natürlich ist es die Aufgabe unseres Finanzdezernenten, auf die finanzielle Situation hinzuweisen und zu mahnen – das gehört schlicht zu seiner Aufgabenbeschreibung und ist absolut legitim. Doch ist es tatsächlich lediglich das alljährliche Mahnen oder ist die Situation ernster?
Werfen wir einen Blick über den Tellerrand. Wie Herr Geiger bereits erläutert hat, Kommunen landauf, landab sind in schlechter Lage. Braunschweig steht aufgrund seiner finanziellen Rücklagen im Vergleich noch gut da. 45 von 47 Kommunen müssen Schulden machen, viele müssen sich bereits mit einem Haushaltssicherungskonzept beschäftigen. Doch ist das schlechte Wirtschaften der Kommunen der Grund dafür? Denn eigentlich sind die Einnahmen der Städte nicht schlecht; auch in Braunschweig können wir beispielsweise mehr Gewerbesteuereinnahmen verzeichnen als gedacht.
Wer ist also schuld? Die Schuldfrage zuerst zu klären, ist ja immer das Charmanteste, und da werden wir als Kommune auch schnell fündig: Fragt man den Niedersächsischen Städtetag, lautet die Antwort natürlich Land und Bund. Bund und Land verorten immer mehr Aufgaben bei den Städten, ohne zeitgleich ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen. Das berühmte Konnexitätsprinzip gilt nur bedingt – insbesondere bei Aufgaben, die auf Bundesebene beschlossen und an die Kommunen durchgereicht werden. Es zeigt sich ein strukturelles Problem in der Finanzierung der öffentlichen Aufgaben.
Doch ist das mit der Schuld wirklich so einfach? Welche Wahl haben Bund und Land denn? Auf beiden Ebenen gilt die Schuldenbremse; beiden ist es verboten, Schulden aufzunehmen. Wo gilt sie nicht? Genau – auf der kommunalen Ebene, hier in Braunschweig. Daher ist es durchaus verständlich, dass Bund und Land die Finanzierung auf die Kommunen abwälzen, denn wir dürfen Schulden machen.
Und fragt man die CDU – insbesondere hier in Niedersachsen – ist es natürlich klar: Die Schuldenbremse ist die heilige Kuh und darf nicht angetastet werden. Das nenne ich mal Ideologie. Wer ist dann laut CDU schuld an Braunschweigs schlechter Haushaltslage – die alljährliche und immer gleiche Antwort lautet: Natürlich Rot-Grün. Die Rot-Grüne Haushaltsmehrheit, die bildlich durch die Straßen Braunschweigs rennt und das Geld nur so um sich wirft. Egal ob die Menschen es brauchen oder nicht. Das darf nach Willen der CDU natürlich so auf keinen Fall weitergehen. Doch was ist denn die Alternative?
Die schwarze Lösung für einen ausgeglichenen Haushalt in Braunschweig, jedes Jahr das gleiche? Sparen, sparen, sparen. Nach dem Verhalten in den Fachausschüssen zu urteilen, bleibt das das schwarze Mantra. Unter OB Hoffmann wurde dies in Reinform praktiziert – das Ergebnis: privatisierte Stadtwerke, marode Turnhallen, Spielplätze und Schulen, dringender Sanierungsbedarf bei Stadthalle und Rathaus sowie ein zubetonierter Schlossplatz, der die heißen Sommer in Braunschweig noch unerträglicher macht.
Angeblich geht es der CDU dabei um die jüngere Generation, wie wir heute wieder hören durften. Aber was bedeutet denn „Sparen, sparen, sparen“ für diese und alle anderen Menschen – das heißt in Konsequenz: kein Klimaschutz – und da dies scheinbar immer noch nicht alle verstanden haben: Klimschutzmaßnahmen dienen nicht dem Wohlbefinden des Klimas – Ziel ist es für die nächsten Generationen eine lebenswerte Welt zu erhalten – Ziel ist es unser Leben und uns Menschen zu schützen. Wenn das nicht endlich von allen als wahre Generationengerechtigkeit anerkannt wird, verspielt das unser aller Zukunft. Sparen heißt auch: keine Verkehrswende, massive Kürzungen im ÖPNV und natürlich wird der rote Stift auch bei den sozialen Ausgaben angesetzt. Das bedeutet nach und nach ein Ende der Solidarität und des Sozialstaats, der Menschen in schwierigen Situationen unterstützt. Und von Kultur müssen wir gar nicht mehr reden – denn als freiwillige Aufgabe fällt hier rigoros alles weg – Und schließlich unsere Infrastruktur? Sie darf weiter vor sich hin marodieren. Aber ich bin gespannt, wie Sie, liebe CDU, den Kindern und Jugendlichen erklären, dass kaputte Spielplätze, ein zerfallendes B 58, marode Turnhallen und Schulen ihrem Wohl dienen.
Sparen – das ist die ganze wirtschaftliche Vision, die die CDU aufbringen kann. Sie hat sich seit Jahren so in dieses Narrativ verrannt, dass sie selbst den Wirtschaftsexpert*innen nicht mehr zuhört. Denn das ist eindeutig: Es herrscht landauf, landab ein riesiger Investitionsstau. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung schätzt diesen allein von 2020 bis Mitte 2024 auf nicht weniger als satte 210 Milliarden Euro.
Um diesen abzubauen, gibt es auch laut dieses Instituts einen akzeptablen, finanziell zu verantwortenden Weg: Wir brauchen dringend die Reform der Schuldenbremse für investive Aufgaben – und kein weiteres Spardiktat, das die Rezession in unserem Land vorantreibt. Wir brauchen Investitionen in unsere Zukunft. Die Menschen in unserem Land sind es leid, zu hören, dass wir uns von einer Krise in die nächste Krise bewegen und das die einzige Lösung ist, den Gürtel noch enger zu schnallen. Manche Landesverbände der CDU beginnen das zu begreifen. Daher gebe ich die Hoffnung auch für die Niedersachsen und die Braunschweiger CDU nicht auf. Doch Fakt ist auch: Leider können wir die Schuldenbremse nicht aus Braunschweig reformieren.
Daher ja, liebe CDU, natürlich ist es auch notwendig, Ausgaben kritisch zu prüfen. Auch wir Grüne sind davon überzeugt, dass wir an bestimmten Stellen im Haushalt noch Potenziale heben können. Nehmen wir zum Beispiel die im Haushaltsentwurf veranschlagte eine Million Euro für Überwachungskameras für die Polizei. Die können wir gerne sofort streichen, denn Polizei ist nun wirklich ausdrücklich Landesaufgabe – diesen Schuh muss sich Braunschweig als Stadt nicht anziehen, hier ist bei inhaltlicher Notwendigkeit nun wirklich mal das Land gefragt.
Aber auch das Rekorddefizit unseres geschätzten Klinikums ist ein riesiges Problem, wie wir vorhin ausführlich debattiert haben. Hier ist es unbedingt notwendig, Konsolidierungsmaßnahmen in großem Umfang zu ergreifen, wie es bereits begonnen wurde. Diese finanzielle Belastung in einer solchen Höhe kann Braunschweig als Kommune auf Dauer nicht stemmen. Aber auch die kritische Situation des Klinikums trifft nicht nur Braunschweig, sondern viele andere Kommunen. Daher hat das Land reagiert und mit einem Erlass des Innenministeriums den Kommunen größere Freiheiten zur finanziellen Bewertung der kommunalen Haushalte eingeräumt, die wir nicht ignorieren sollten.
Und wir Grüne werden nicht müde zu betonen: Eine Konsolidierung des Haushalts gelingt nicht nur durch reines Sparen. Als Politik haben wir die Pflicht, uns auch um unsere kommunalen Einnahmen zu kümmern. In vielen Bereichen, allen voran im ÖPNV, werden die Preise aufgrund der allgemeinen Inflation angepasst. Vorhin hat dieser Rat eine Preissteigerung für das Mobilticket, also für die ärmsten Menschen Braunschweigs beschlossen. Das ist nicht schön und fand bei uns Grünen keine Zustimmung, aber wurde gerade mit der finanziellen Notwendigkeit und der angespannten Haushaltslage von einer Mehrheit begründet.
Manche Ressorts bleiben jedoch mit gegenteiliger Begründung konsequent ausgespart: nehmen wir die Parkgebühren. Wie bereits von Frau Dr. Flake erwähnt, hier gab es in den Haushaltsberatungen keine Mehrheit für die längst überfällige Anpassung an den allgemeinen Preisindex, an die Inflation. Dasselbe gilt für Betten- und Gewerbesteuererhöhungen. Für sozialökonomisch benachteiligte Menschen und Schulkinder sind Preissteigerungen also kein Problem, aber die lokale Wirtschaft und Autofahrende bleiben tabu? Das ist nicht unser Verständnis eines solidarischen Staates und einer solidarischen Stadt.
Insgesamt liegt aus unserer Sicht summa summarum jedoch ein solider Haushaltsentwurf vor, der vielen Themen gerecht wird. So wie die Weihnachtsgans zu Weihnachten gehört es zur Wahrheit natürlich auch dazu, dass wir auch Kompromisse in den Haushaltsberatungen machen müssen. So hätten wir uns auch im Bereich Klima- und Verkehrswende an der ein oder anderen Stelle noch mehr gewünscht. Doch besonders im Sozialbereich konnten wir gemeinsam mit der SPD gegenüber dem Haushaltsentwurf nachsteuern und unsere soziale Stadt auch für die nächsten Jahre absichern.
Dabei gehört auch zur Wahrheit, dass einige politische Anträge nicht notwendig gewesen wären, hätte die Verwaltung Ratsbeschlüsse von Anfang an berücksichtigt, wie beispielsweise bei der Kindertagespflege.
Doch neben dieser Kritik geht auch ein großes Dankeschön an die Verwaltung, die unermüdlich viele Arbeitsstunden investiert hat, um diesen Haushalt aufzustellen und immer wieder aufgrund unserer politischen Beschlüsse anzupassen. Und diese kamen aufgrund der herausfordernden Haushaltsberatungen teilweise später als gewohnt. Dass wir diesen Doppelhaushalt bereits im Dezember beschließen können, ist nicht selbstverständlich. Es schafft Sicherheit für viele Zuschussempfänger*innen und ermöglicht uns, auch 2025 zügig ins Handeln zu kommen. Vielen Dank dafür an alle Dezernent*innen und ihre Teams!
Zum Schluss ist doch die Frage, die wir uns heute stellen müssen: Wie geht es mit Braunschweig weiter? Sparen um jeden Preis? Für uns ist die Antwort eindeutig: Auch in schwieriger finanzieller Lage setzen wir auf ein soziales und solidarisches Braunschweig, das Klimaschutz und Verkehrswende ernst nimmt und an alle Menschen denkt. Dieser Doppelhaushaltsentwurf bildet trotz einiger auch schmerzlichen Kompromisse dafür eine solide Grundlage. Und auch klar ist, ohne diesen Haushalt zu beschließen, bleibt Braunschweig, bleiben die Menschen dieser Stadt völlig auf der Strecke. Von einer emotionalen Rede über haushalterische Ungerechtigkeit kommt Braunschweig kein Stück weiter, das ist kein verantwortungsvolles Handeln. Verantwortung heißt für die nächsten 2 Jahre mit diesem Doppelhaushalt für Braunschweig die richtigen Weichen zu stellen.“
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