Nazi-Demo: Grüne appellieren an Versammlungsbehörde

Unsere Ratsfraktion hat sich am 13. Dezember (Mo.) mit dem geplanten Naziaufmarsch am 18. Dezember (Sa.) befasst und das beigefügte Schreiben an die zuständige Versammlungsbehörde beschlossen (siehe unten).

Das Schreiben ist von unserer Stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Leonore Köhler initiiert worden und wird von allen Grünen Fraktionsmitgliedern mitgetragen.


Bitte um Verlegung einer Demonstration in Rücksicht auf das westliche Ringgebiet

Sehr geehrte Damen und Herren,

Immer wieder kommt es in Braunschweig zu Kundgebungen und Demonstrationen von der rechtsradikalen Kleinstpartei „Die Rechte“. Die Mitglieder der Partei sind stadtweit bekannt und teilweise aufgrund von gewalttätigen Übergriffen vorbestraft. Die Mitglieder proklamieren regelmäßig auf ihren Kundgebungen Braunschweig als „Nazistadt“ und sind wiederholt durch antisemitische Parolen aufgefallen. Insbesondere das westliche Ringgebiet und der Frankfurter Platz werden von der Kleinstpartei als „ihr Gebiet“ deklariert. Immer wieder kommt es zu gewalttätigen Vorfällen im Gebiet, z.B. bei den Falken oder auch Übergriffen auf unsere Geschäftsstelle Bündnis 90/Die Grünen. Die Anwohner*innen und die Stadtteilkonferenz haben das Jahr über mit diversen Maßnahmen versucht, die Einflussnahme und Übernahmeversuche der Partei zu entgegnen.

Aktuell hat die Kleinstpartei erneut eine Kundgebung und eine Demonstration am 18.12.2021 am Frankfurter Platz angemeldet, welche ebenfalls durch die Stadt ziehen soll. Wir als Ratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen sind sehr besorgt aufgrund der Genehmigung dieses Vorhabens und bitten die Versammlungsbehörde eindringlich die Genehmigung zu überprüfen und ggf. eine Ausweichfläche zuzuweisen. Uns ist selbstverständlich bewusst, dass das Versammlungsrecht eines der höchsten Güter ist, doch wir weisen darauf hin, dass nach § 15 VersammlG es möglich ist, Versammlungen einzuschränken oder zu untersagen, wenn erkennbar die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährdet ist. Andere Städte, wie Berlin, Karlsruhe, Leipzig u. a., praktizieren dies bei rechtsextremen Kundgebungen mit Erfolg.  Im Folgenden sollen mögliche Gründe genannt werden, die aus unserer Sicht im Zusammenwirken zu einer Gefährdung der Sicherheit aufgrund der Versammlung im westlichen Ringgebiet führen und den Versuch einer räumlichen Verlegung der Versammlung oder eine Untersagung rechtfertigen.

Die Vielzahl an rechtsextremen Demonstrationen im westlichen Ringgebiet dient nicht den in den Demonstrationen propagierten Interessen, sondern hat das Ziel, den Raum dort zu beanspruchen und ein Zeichen zu setzen. Es ist offensichtlich, dass hier ein Ziel abseits der offiziellen Verlautbarungen verfolgt wird, nämlich territorialen Anspruch zu formulieren. Da es aber keinen Bezug zum westlichen Ringgebiet gibt und die Anwohner*innen insbesondere am Frankfurter Platz ständig unter der Vereinnahmung und Bedrohungen leiden, sehen wir eine Notwendigkeit, dass die Genehmigung von Demonstrationen im westlichen Ringgebiet kritisch überdacht wird. Unter anderem deshalb bitten wir die Versammlungsbehörde, hier die Anwohner*innen zu entlasten und die Demonstrationen, die aus dem rechtsextremen Spektrum kommen, an andere Orte zu verlegen.

Erschwerend hinzu kommt, dass wir uns bezüglich der Corona-Pandemie in einer kritischen Phase befinden, aktuell ist Warnstufe 2 ausgerufen und die neue Omikron-Variante kann dazu führen, dass die Situation an Brisanz zunimmt. Die Mitglieder der Partei „Die Rechte“ sind nicht geimpft und outen sich offiziell als Impfgegner*innen und Corona-Leugner*innen. Einige verweigern das Tragen von medizinischen Masken auch auf Demonstrationen. Der Frankfurter Platz und das westliche Ringgebiet unterliegen einer engen Wohnbebauung und viele Anwohner*innen (und die Stadtteilkonferenz) sind der Einflussnahme durch die Rechte überdrüssig und werden versuchen gegen die Kundgebung mit ihrem Demonstrationsrecht vorzugehen. Weiterhin ruft das Bündnis gegen Rechts zu Gegenkundgebungen auf. Aus Ablehnungen von weiteren Kundgebungen am Frankfurter Platz geht hervor, dass mit großem Polizeiaufgebot zu rechnen ist. Insgesamt ist also von einer großen Menschenansammlung in einem eng bebauten Wohngebiet auszugehen. Hinzu kommt, dass aufgrund der bevorstehenden Weihnachtszeit mit vielen Menschen im Stadtgebiet an diesem Samstag zu rechnen ist, welche Einkäufe erledigen und den Weihnachtsmarkt besuchen. Dies führt zu einer weiteren Verdichtung, in welcher ein Abstandsgebot zur Durchführung einer sicheren Versammlung kaum durchzuhalten ist. Wir finden, dass dies unter Pandemiebedingungen und der aktuellen Lage nicht tragbar ist.

Zudem ist nicht auszuschließen, dass es zu gewalttätigen Vorfällen aufgrund der angespannten Lage im westlichen Ringgebiet kommt. Dies führt zu einer erhöhten Gefahr der Gefährdung der Sicherheit und Ordnung. Uns ist bewusst, dass das Recht zur Versammlung ein wesentliches Grundrecht ist. Doch wir bitten die Genehmigung für die Kundgebung der Rechten speziell für den Frankfurter Platz zu überdenken. Unserer Überzeugung nach sollte die Demonstration, wenn sie nicht aufgrund einer allgemeinen Gefährdung untersagt werden kann, auf eine Fläche ohne Wohnbebauung verlegt werden. Dies wäre eine Auflage, die zur Minimierung des Risikos der Gefährdung der Sicherheit und Ordnung führen würde. Hierzu würde sich z.B. das Flohmarktgelände (Theodor-Heuss-Straße) anbieten. Hier gibt es keine dichte Wohnbebauung, auch wäre nicht mit den gleichen Gegenprotesten zu rechnen, da der „Brennpunkt“ westliches Ringgebiet verlassen wird und die gesundheitlichen Risiken, auch für die Polizeikräfte, könnten deutlich minimiert werden.  So wäre das Versammlungsrecht gewahrt, jedoch würde die Stadt ein deutliches Zeichen setzen, dass sie die Bedrohung durch die rechtsradikale Kleinstpartei „Die Rechte“ ernst nimmt und versucht die angespannte Situation unter Wahrung legitimer Mittel zu beenden. Auch Besucher*innen der Stadt Braunschweig werden dann vermutlich deutlich weniger mit Einschränkungen aufgrund der Kundgebung und der Demonstrationsroute konfrontiert.

Wir bitten eindringlich darum, unsere Bedenken und die der Braunschweiger Stadtgesellschaft ernst zu nehmen und die Genehmigung der Kundgebung und Demonstration der rechtsradikalen Partei in der Vorweihnachtszeit in unserer Stadt zu untersagen oder, wenn rechtlich nicht möglich, soweit einzuschränken, dass eine Entlastung des westlichen Ringgebietes erfolgt und eine Gefährdung – insbesondere mit Hinblick auf die Corona-Situation und die Sicherheit und Ordnung – für Demonstrant*innen, Anwohner*innen, Besucher*innen und Polizeikräfte minimiert werden kann.

Mit freundlichen Grüßen

Die Ratsfraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Braunschweig

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