Ausweitung der Videoüberwachung in Braunschweig?

Überwachungskameras (Quelle: www.gruene.de)
Überwachungskameras (Quelle: www.gruene.de)

Undurchdachtes Wahlkampfgetöse von OB Hoffmann

Stell Dir vor, es ist Landtagswahl, und der Braunschweiger Oberbürgermeister hält sich raus: Das geht gar nicht, dachte sich anscheinend Amtsinhaber Dr. Gert Hoffmann (CDU) und ging am gestrigen Dienstag (08.01.2013) mit einer unausgegorenen Pressemitteilung zum Thema Innere Sicherheit an die hiesige Öffentlichkeit. Um seinen Parteifreund in Hannover, den Niedersächsischen Innenminister Uwe Schünemann zu unterstützen, forderte Hoffmann ohne konkreten Anlass eine Ausweitung der Videoüberwachung in unserer Stadt und eine Einschränkung des Datenschutzbeauftragten auf Landesebene. Natürlich ist dieser Griff in die „Law and Order“-Mottenkiste der durchsichtige Versuch, in bestimmten Kreisen Stimmen für die CDU abzugreifen. Allerdings dürften viele Bürgerinnen und Bürger von dem „Big Brother“-Leitmotiv alles andere als begeistert sein.

Wie man mit dem Thema Innere Sicherheit angemessen und reflektiert umgeht, hat unsere Grüne Bundestagsfraktion im September 2011 bewiesen. Anlässlich des 10. Jahrestages der Anschläge auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington („Nine Eleven“) beschloss sie auf ihrer Fraktionsklausur am 02.09.2011 das 13-seitige Positionspapier „Sicherheit im Dienst der Freiheit“. Darin finden sich u. a. folgende interessante Passagen:

  • „Die Gefahren für die innere Sicherheit dürfen nicht dazu verleiten, Grund- und Bürgerrechte über Bord zu werfen. Sicherheit steht im Dienst der Freiheit, nicht umgekehrt, deshalb dürfen wir die rechtsstaatlichen Prinzipien in dem Irrglauben an absolute Sicherheit nicht über Bord werfen und so dem Terror zum Sieg über unseren Rechtsstaat verhelfen. Niemand kann absolute Sicherheit gewährleisten. Aufgabe der Politik ist es, mit den Mitteln des Rechtsstaates für das größtmögliche Maß an Sicherheit zu sorgen. Die Politik der inneren Sicherheit muss die Bürgerinnen und Bürger in zweifacher Hinsicht schützen: vor den Folgen terroristischer Anschläge und vor überflüssigen, unverhältnismäßigen und diskriminierenden Überwachungsmaßnahmen. Für uns gilt: Es gibt die Sicherheit durch den Staat, aber ebenso die Sicherheit vor dem Staat.“ (S. 1)
  • „Den Paradigmenwechsel hin zum präventiven Sicherheitsstaat und einer allgemeinen Verdachtskultur – der inzwischen auch weit über die Terrorbekämpfung hinaus propagiert wird – lehnen wir ab. Beispielhaft dafür stehen die mittlerweile in vielen Innenstädten dauerhaft installierten, anlasslosen Videoüberwachungen weit über sogenannte gefährliche Räume hinaus. Die auch in Kombination mit privaten Videoüberwachungen erreichte zunehmend flächendeckende Erfassbarkeit der Bürgerinnen und Bürger muss reduziert werden, das bestätigen auch jüngste Urteile von Verwaltungsgerichten. Für uns ist klar: Eingriffe in die Grundrechte und die Freiheit bedürfen grundsätzlich eines konkreten, fallbezogenen Anlasses und wirksamer Kontrolle. Soweit in den letzten Jahren entstandene Systeme der Gefahrenverhütung und der Gefahrenvorsorge von diesem Grundsatz abweichen, setzen wir uns für die rechtsstaatliche Einhegung dieser Systeme ein.“ (S. 2)
  • „Die polizeiliche Videoüberwachung, insbesondere von Verkehrsinfrastrukturen und der Innenstädte wird beständig ausgebaut. Dabei ist sie im öffentlichen Verkehr nie ein vollwertiger Ersatz für abgebautes Personal und trägt wenig zur Verhinderung von Straftaten bei. Auf öffentlichen Plätzen besteht die Gefahr der Totalüberwachung bestimmter Szenen und auch politischer Aktivitäten. Daneben sind Kameraüberwachungen wegen ihrer Beschränkung auf Äußerlichkeiten besonders anfällig für Diskriminierungen. Menschen, die äußerlich nicht „normal“ erscheinen, werden dadurch besonders belastet, das zeigen Studien aus England. Das ist keine Bagatelle, sondern eine grundrechtsrelevante Beeinträchtigung. Maßnahmen, die an Videoüberwachung anknüpfen, bedürfen deshalb einer beschränkenden rechtlichen Regelung. Äußerliche Merkmale wie Haut- oder Haarfarbe dürfen für sich kein Grund für besondere Beobachtung sein.“ (S. 7)

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