Redebeiträge von Helge Böttcher und Rochus Jonas
Bei der Ratssitzung am 27. Juni 2023 wurde auch dieser wichtige Beschluss gefasst: Die Umsetzung des Gewinnerentwurfs aus dem Künstlerischen Wettbewerb zum Kolonialdenkmal an der Jasperallee im Östlichen Ringgebiet. Vorberaten wurde der genannte Ratsbeschluss in zwei Fachausschüssen – dem Ausschuss für Kultur und Wissenschaft (AfKW) sowie dem Umwelt- und Grünflächenausschuss (UGA). Beide Ausschüsse werden von Grünen Ratsmitgliedern geleitet – beide Ausschussvorsitzende meldeten sich in der Ratsdebatte zu Wort. Beschlossen wurde die Verwaltungsvorlage – in geänderter Fassung – übrigens von fast allen Ratsmitgliedern, bei 5 Enthaltungen.
Wir dokumentieren hier die Redebeiträge von Helge Böttcher (Ratsherr, Fraktions- und AfKW-Vorsitzender) sowie von Rochus Jonas (Ratsherr und UGA-Vorsitzender) – zum Nachlesen für Interessierte:
Redebeitrag von Helge Böttcher am 27. Juni 2023 zum Thema „Umsetzung des Gewinnerentwurfs aus dem Künstlerischen Wettbewerb zum Kolonialdenkmal“ (Es gilt das gesprochene Wort):

„Sehr geehrte Frau Vorsitzende,
Meine Damen und Herren,
In meiner Funktion als Vorsitzender des Kulturausschusses möchte ich an dieser Stelle zunächst ein paar allgemeine Worte zum Umgang mit Kolonialdenkmälern sagen:
Wir haben seit vielen Jahren eine zu Recht breite und kritische gesellschaftliche Debatte zum Kolonialismus. Die Kulturhistorikerin Britta Schilling von der Universität Utrecht hat dazu einmal gesagt „Der Deutsche Kolonialismus wurde weitergegeben wie ein seltsames Erbstück, bei dem viele nicht wissen, ob sie es ausstellen oder heimlich in den Müll werfen sollen“ (Zitat Ende).
Ausstellen oder in den Müll werfen. Diese zwei Optionen nennt sie. Und ich denke, die letzte Option ist der falsche Weg. Wir können nicht ein Denkmal entfernen oder eine Straße einfach umbenennen und dann denken, dass der Prozess der Dekolonisierung abgeschlossen ist.
Auch die Initiative „Berlin Postkolonial“ fordert, Kolonialdenkmäler nicht einfach abzureißen, sondern zu hinterfragen. Sie schlägt vor, in Zusammenarbeit mit Künstler:innen aus den ehemaligen Kolonien die Wirkung der Denkmäler zu brechen, Gegendenkmäler zu erstellen oder sie zu verfremden. Die Kolonialgeschichte soll nicht aus dem öffentlichen Raum getilgt, sondern sie soll kritisch hinterfragt werden.
Meine Damen und Herren, ein Denkmal muss kritisiert werden dürfen.
Und daher freue ich mich, dass wir einen Entwurf haben, der mit der Künstlerin PATRICIA KAERSENHOUT entwickelt wurde. Einer in den Niederlanden geborenen Künstlerin, Aktivistin und Frauenrechtlerin mit afrikanischen Wurzeln, die mit ihren Projekten besonders junge People of Colour stärkt.
Dieser Entwurf ermöglicht es, uns kritisch mit der Kolonialzeit auseinanderzusetzen, mit dem sich vielleicht auch Schulklassen beschäftigen, um diesen dunklen Abschnitt der deutschen Geschichte aufzuarbeiten und nicht in Vergessenheit kommen zu lassen.
Und dafür möchte ich mich ausdrücklich bedanken, bei Frau Prof. Dr. Hesse, der Kulturverwaltung, der Künstlerin Frau Kaersenhout und auch bei den Künstler:innen der anderen Entwürfe, die nicht ausgewählt wurden, die aber alle auch sehr vielfältig und kritisch waren.
Vielen Dank!“
Redebeitrag von Rochus Jonas am 27. Juni 2023 zum Thema „Umsetzung des Gewinnerentwurfs aus dem Künstlerischen Wettbewerb zum Kolonialdenkmal“ (Es gilt das gesprochene Wort):

„Liebe Ratsmitglieder,
die Auseinandersetzung mit kolonialer Geschichte ist absolut notwendig, gerade auch, um die gesellschaftlichen Prozesse zu verstehen, die uns in unserer heutigen Zeit global beschäftigen. Als Vorsitzender des UGA möchte ich hier aber einmal den Blick auf Kunst am Bau und die damit verbundenen Signale für ein nachhaltiges ökologisches Handeln lenken.
Vorweg: Im UGA habe ich dieser Vorlage zunächst zugestimmt, weil in der Diskussion suggeriert wurde, dass weitere Ausführungs-Planunterlagen bis zur finalen Abstimmung vorliegen, in denen die exakte Einordung des Kunstwerkes in die Umgebung der Parklandschaft möglich ist.
Die hier vorliegenden Ausführungsplanungen reichen mir persönlich leider noch nicht aus, um die gesamten Auswirkungen auf den umliegenden Grünbestand real einordnen zu können. Niemand würde ein Gartenbauunternehmen mit der Umgestaltung seines Gartens beauftragen, wenn keine exakte Ausführungsplanung mit Maßangaben vorliegt.
Mir ist aber folgende Frage viel wichtiger:
Welche Signale senden wir in die Bevölkerung, wenn wir in eine Parkanlage ein Kunstobjekt einbringen, das dazu dient, die Fehler aus der Vergangenheit sichtbar und erfahrbar zu machen, hierbei aber die Anforderungen an Nachhaltigkeit offensichtlich nicht ausreichend berücksichtigt werden.
Wir fordern immer und überall weniger zu versiegeln und dass weniger Beton und graue Energie zum Einsatz kommen. Wir fordern von den Menschen keine Schottergärten anzulegen und ihre Gärten zu entsiegeln.
Daher sollte unter heutigen Nachhaltigkeitsansprüchen ein Kunstwerk in einer Parkanlage auch so kreativ ausgeführt sein, dass die eigentliche Aussage sichtbar wird, hierbei jedoch Flächen und natürliche Ressourcen umfänglich geschont werden, oder die Kunstschaffenden so kreativ sind, dass für zukünftige Generationen neben der gesellschaftlichen Kernaussage auch ein Mehrgewinn an Nachhaltigkeit und Ökologie entsteht, so dass wir uns in ein paar Jahrzehnten nicht wieder fragen müssen, warum wir unsere damaligen Ansprüche und bekannte Konzepte an / für nachhaltiges Handeln nicht auch in unseren Kunstwerken berücksichtigt haben.
Also, eine Kunst zu schaffen, die anregt, über gesellschaftliche Zusammenhänge nachzudenken und dabei gleichzeitig etwas schafft, was auch für zukünftige Generationen unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit Bestand hat. Wäre das nicht das richtige Signal für eine kreative Lösung in diesem speziellen Umfeld gewesen?
Da ich diesen Ansatz nicht erkenne, werde ich mich heute bei der Abstimmung enthalten und hoffe, dass wir zukünftig unsere Bewertungskriterien zur Nachhaltigkeit auch bei Kunst und insbesondere bei Kunst am Bau einfließen lassen.
Vielen Dank!“
Nähere Infos:
- Verwaltungsvorlage „Umsetzung des Gewinnerentwurfs aus dem Künstlerischen Wettbewerb zum Kolonialdenkmal“ vom 16.05.2023 (ohne Anlagen)
- Ergänzungsvorlage „Umsetzung des Gewinnerentwurfs aus dem Künstlerischen Wettbewerb zum Kolonialdenkmal“ vom 16.06.2023 (ohne Anlagen)

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