
Beim Thema Kindergarten-Gebühren ziehen SPD und GRÜNE an einem Strang. Zum heutigen Jugendhilfeausschuss (JHA) haben beide Fraktionen gemeinsam einen Änderungsantrag eingebracht, der die bisherige Debatte „vom Kopf auf die Füße“ stellt. Aus Sicht von SPD und GRÜNEN haben CDU und FDP bei dem genannten Thema bislang wesentliche Aspekte vernachlässigt, insbesondere den Aspekt der sozialen Ausgewogenheit. Der rot-grüne Änderungsantrag wird nach seiner Vorberatung im JHA am 28. Juni 2011 im Rat behandelt. Er beinhaltet folgende konkrete Verbesserungsvorschläge:
Kindertagesstätten-Entgelte
1. Kindergarten:
Die Elternbeiträge für den Besuch der Kindergärten werden ab dem 01. August 2011 gravierend um ca. 50 % gesenkt. Dazu soll eine neue Entgeltstaffel erarbeitet werden, nach der insbesondere die unteren und mittleren Einkommensgruppen überproportional entlastet werden. Im Rahmen der Haushaltsberatungen für 2012 wird geprüft, ob das Ziel einer vollkommenen Entgeltbefreiung im Kindergartenjahr 2012/2013 umgesetzt werden kann.
2. Krippe:
Für die Elternbeiträge im Krippenbereich wird die neue Entgelttabelle für Kindergärten (3- bis 6-Jährige) übernommen.
3. Schulkindbetreuung:
Die Entgelte für die Schulkindbetreuung werden an die Kostenpauschalen für Betreuungsgruppen nach dem Braunschweiger Modell an Offenen Ganztagsgrundschulen angepasst: bis 15 Uhr (keine Kosten), 16 Uhr (15 Euro/Monat), 17 Uhr (30 Euro/Monat). Für den Personenkreis der Leistungsberechtigten des Bildungs- und Teilhabepaketes werden keine Entgelte erhoben.
4. Kindertagespflege:
Die Entgeltsätze für die Tagespflege werden entsprechend angepasst.
5. Die zur Finanzierung benötigten Mittel werden 2011 durch Mehreinnahmen bei der Gewerbesteuer kompensiert und ab 2012 in den Haushalt eingeplant.
Qualitativer Ausbau
6. a) Der Rat der Stadt Braunschweig betont ausdrücklich die Notwendigkeit der qualitativen Verbesserung der Arbeit in den Einrichtungen der Kinderbetreuung. Dies gilt insbesondere in Stadtteilen mit hohem Förderbedarf. Dazu sollen die Gruppenstärke in den entsprechenden Einrichtungen gesenkt werden und andere geeignete Maßnahmen ergriffen werden.
6. b) Zur Unterstützung der erzieherischen Bildungsarbeit sollen Kindertagesstätten mit besonderem Förderbedarf zu Familienzentren ausgebaut werden. Die Fortsetzung des Modellprojekts Schulsozialarbeit an Braunschweiger Grundschulen soll sichergestellt und die Schulsozialarbeit auf weitere Grundschulen ausgedehnt werden.
Die Verwaltung wird beauftragt, bis Ende des Jahres konkrete Umsetzungsvorschläge zu machen und die entsprechenden Haushaltsmittel in den Haushaltsentwurf 2012 einzustellen.
Quantitativer Ausbau
7. Der Rat der Stadt Braunschweig, wird den quantitativen Ausbau der Betreuungsplätze in allen drei Altersgruppen-Bereichen der Kinderbetreuung weiterhin intensiv vorantreiben. Dazu sollen die Planzahlen dem tatsächlichen Bedarf entsprechend angehoben werden. Die Verwaltung wird beauftragt, eine Beschlussvorlage mit veränderten Planzahlen bis Ende des Jahres vorzulegen.
Begründung

Angesichts der Herausforderungen an den notwendigen qualitativen und quantitativen Ausbau der Kinderbetreuung wird im Bereich der Kindergartengebühren lediglich eine gravierende Senkung für sinnvoll erachtet. Gleichzeitig sollen aber auch die Elternentgelte bei den Krippen und der Schulkindbetreuung sowie im Bereiche der Tagespflege entsprechend gesenkt werden. Die Entgelte für Schulkindbetreuungsgruppen müssen dringend an die Kostenpauschalen der Betreuungsgruppen an Offene Ganztagsgrundschulen angepasst werden, die ebenfalls voll durch die Stadt finanziert werden und sich qualitativ nur im Namen unterscheiden. Abgesehen von der Bedeutung der frühkindlichen Förderung und der Bedeutung der Förderung für Kinder aus förderungsbedürftigen Familien werden gerade die Bereiche der Krippenentgelte und der Schulkindbetreuung außerhalb der Offenen Ganztagsgrundschulen von Eltern als besonders hoch bzw. ungerecht empfunden. Eine Fach-AG des JHA hat deshalb schon 2007 einen entsprechenden Vorschlag ausgearbeitet, deren Grundansatz zur Senkung der Gebühren nach wie vor gefolgt werden sollte.
Der qualitative und quantitative Ausbau muss dabei parallel intensiv umgesetzt werden. Es wird nicht als sinnvoll erachtet, überstürzte konkrete Einzelvorschläge sofort zu beschließen, ohne auf der Grundlage eines breit angelegten Gesamtkonzeptes Prioritäten benennen zu können. Für die Umsetzung und Abarbeitung dieser Prioritäten müssen die notwendigen Mittel zur Verfügung gestellt werden.
Ergänzung vom 29. Juni 2011: Im Jugendhilfeausschuss (JHA) wurde dieser Änderungsantrag am 16. Juni 2011 mit großer Mehrheit (SPD, GRÜNE und stimmberechtigte Fachleute) beschlossen. Auf Anregung der Verwaltung legten SPD und GRÜNE zudem vor der entscheidenden Ratssitzung am 28. Juni 2011 eine überarbeitete Fassung ihres Änderungsantrags vor. Bedauerlicherweise wurde diese Konkretisierung des rot-grünen Änderungsantrags von der CDU-/FDP-Mehrheit im Rat nichtsdestotrotz abgelehnt. Einmal mehr wurde damit dem Votum des zuständigen Fachausschusses (JHA) nicht gefolgt. Das schwarz-gelbe Motto lautete hierbei anscheinend wie schon so oft „Populismus vor Kompetenz“!
Ganz kurze Antwort auf die in Ihrem letzten Satz gestellte Frage: JA!
Ich frage mich, warum hohe Einkommen ÜBERHAUPT entlastet werden sollen! „Proportional“ ist doch völliges „Wischi-Waschi“! Hier werden „Wohltaten“ – egal wie hoch – an Gruppen verteilt, die es überhaupt nicht nötig haben! Genau das gleiche Spiel wie beim Kindergeld oder der Einkommensbemessungsgrenze bei der Sozialversicherung.
Wenn endlich diejenigen, die derartige Gebühren „aus der Portokasse“ holen, die VOLLEN Beträge zahlen würden, hätten wir wohl alle weniger Probleme!
Am Rande bemerkt ist es doch sehr merkwürdig, dass ausgerechnet die CDU in Braunschweig so kurz vor den Kommunlwahlen plötzlich am laufenden Band „Wohltaten“ verteilen will. Ist das den Oppositionsfranktionen im Rat überhaupt schon aufgefallen?