
Zur Pressemitteilung der Stadt Braunschweig zwecks Rechtfertigung der Privatisierung der Braunschweiger Versorgungs-AG (BVAG) vom 13.01.2010 (PM des OB: „Privatisierung bringt der Stadt auch nach 2014 dauerhaft einen jährlichen Vorteil von 8 Millionen“) haben die GRÜNEN am 14.01.2010 eine kritische Gegendarstellung erarbeitet. Darin widerlegen sie die Behauptung von Oberbürgermeister Dr. Gert Hoffmann (CDU), der Verkauf der BVAG sei ein finanzieller Erfolg gewesen:
„Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN widerspricht der Behauptung des Oberbürgermeisters, der Verkauf der Versorgungs-AG sei auch langfristig für die Finanzen der Stadt vorteilhaft.
„Die Berater, die den Verkauf mit sehr hohen Entlohnungen abgewickelt haben, nun mit der Analyse ihres eigenen Geschäfts zu beauftragen, ist schon ein äußerst fragwürdiger Vorgang“, sagt dazu der Fraktionsvorsitzende Holger Herlitschke. Dem entsprechend sei die Berechnung offensichtlich nach der Devise angestellt worden: „Wie gestalte ich die Grundannahmen, damit am Ende das gewünschte Ergebnis herauskommt.“
In einer ersten groben Analyse der vorgelegten Berechnungen kommen die GRÜNEN zu folgenden Ergebnissen:
- Die Berechnung steht und fällt mit der Gewinnannahme für BS|Energy. Dafür wird von KPMG unterstellt, dass ohne die Privatisierung der Gewinn nur zwei Drittel des mit Verkauf unterstellten Gewinns betragen würde. Angesichts der herausragenden Position der Braunschweiger Versorgungs-AG auch schon vor dem Anteilsverkauf ist diese Annahme falsch. Das Unternehmen hat auch vorher schon bundesweit agiert und dies weitaus erfolgreicher als zahlreiche andere Stadtwerke. Insofern wird der Gewinn ohne Privatisierung zu niedrig angesetzt. Auf der anderen Seite bestehen große Zweifel, dass der unterstellte dauerhafte Gewinn der privatisierten Versorgungs-AG in der Größenordnung von 90 Mio. € liegen wird. Hätten GRÜNE eine solche Rechnung vorgelegt, hätte der OBM sie zu Recht als „Milchmädchenrechnung“ gebrandmarkt.
- Verglichen wird merkwürdigerweise auch nicht die Variante, die zur Zeit der Amtsübernahme des Oberbürgermeisters Beschlusslage war, nämlich ein Anteilsverkauf von 25,1 %, um mit einem strategischen Partner ebenso erfolgreich zu sein wie mit dem getätigten Mehrheitsverkauf. Dann nämlich hätte der städtische Gewinnanteil 75 % betragen statt nun 25 %.
- Die Behauptung, das gute Ergebnis von BS|Energy hätte nichts mit den gestiegenen Preisen für Gas, Wasser, Strom und Fernwärme für Braunschweiger Bürger zu tun, ist schlicht falsch. Auch wenn die Preise bundesweit eine ähnliche Entwicklung genommen haben, sind sie tatsächlich ausschlaggebend für das Ergebnis.
- Darüber hinaus dürfte die Grundannahme von einer fünfprozentigen Verzinsung des Verkaufserlöses ebenso unzutreffend sein wie die Annahme von fünfprozentigen Zinsen auf die Schulden der Stadt. Die tatsächlichen Zinssätze der vergangenen Jahre liegen deutlich darunter. Nicht zuletzt deshalb hat die Stadt wiederholt Umschuldungen vorgenommen.
- Die vereinfachte Annahme, die Steuerpflicht würde die der Stadt zu Gute kommenden Gewinne halbieren, weil sie als Dividende an die Stadt abgeführt würden, erscheint unglaubwürdig. Tatsächlich wurden seit dem Verkauf große Anstrengungen unternommen, um die Steuerpflichten von Veolia zu vermindern und es hätte verschiedene Möglichkeiten gegeben, dies auch für die nicht privatisierten Stadtwerke herzustellen. Zumindest ein Anteilskauf an der Nibelungen Wohnbau GmbH durch die Stadtwerke hätte ebenso steuermindernd gewirkt.
- Bei den Gewerbesteuereinnahmen der Stadt wird die abzuführende Gewerbesteuerumlage nicht berücksichtigt. Allein dieser Faktor würde die Berechnung schon um ca. 2,5 Mio. € zu Gunsten der Nichtprivatisierung verändern.
- Unberücksichtigt bleibt auch die Tatsache, dass die Stadt inzwischen etliche Millionen mehr für Strom, Gas, Wasser und Heizung an BS|Energy zahlt und dass von diesen Beträgen ohne Privatisierung 100 % direkt der Stadt zu Gute kamen, während heute 75 % davon als Gewinnanteil bei Veolia landen.
- Die Behauptung des Oberbürgermeisters, dass rund 10 Mio. € Sponsoringmittel von Veolia und TXU innerhalb von elf Jahren an Eintracht und die Basketballer nun letztlich ein schlagendes Argument für die Privatisierung seien, ist geradezu lächerlich. Beide Vereine hätten ebenso gut ohne die Privatisierung von BS|Energy gesponsert werden können.
BVAG-Verkauf langfristig ein schlechtes Geschäft für die Stadt!
„Die vom Oberbürgermeister aufgestellte Behauptung über die Wirtschaftlichkeit des Verkaufs der Versorgungs-AG ist schlicht falsch und politisch motiviert. Dass er sich dazu auch noch der Verkaufsberater bedient, die schon vor dem Verkauf die falsche Prognose abgegeben hatten, dass die Strompreise aufgrund der Konkurrenzsituation drastisch sinken würden und die Versorgungs-AG deshalb ohne Verkauf keine Überlebenschance hätte, spricht für sich“, so Herlitschke. Es bleibe dabei, dass der Verkauf langfristig ein schlechtes Geschäft für die Stadt sei.
Im Übrigen gehe es nicht nur um einen finanziellen Verlust, sondern auch um die Frage, welchen demokratischen Einfluss die Bürgerinnen und Bürger der Stadt auf das städtische Unternehmen haben. Seit dem Verkauf sei selbst für Ratsmitglieder nicht mehr transparent, welche Entscheidungen in diesem Unternehmen getroffen würden.
Hinweis: Siehe hierzu auch den Artikel in der Braunschweiger Zeitung vom 15.01.2010 „Grüne: Die Privatisierung wurde schöngerechnet“.