
Für die GRÜNEN ist sie schon seit geraumer Zeit ein Thema: Die Entlohnung von Tagesmüttern (und -vätern), die aufgrund veränderter gesetzlicher Rahmenbedingungen mittlerweile alles andere als auskömmlich ist. Bereits im September 2008 forderten sie auf Initiative ihrer jugendpolitischen Sprecherin Dr. Elke Flake eine deutliche Erhöhung der Betreuungssätze in der Tagespflege. Während der Jugendhilfeausschuss diesem Antrag mit großer Mehrheit zustimmte, fiel er bedauerlicherweise im Rat im Dezember 2008 und erneut im Februar 2009 durch.CDU und FDP mochten den Anträgen der Opposition in dieser Frage offensichtlich weder bei den Haushaltsberatungen noch danach folgen.
Nichtsdestotrotz zeigt sich nun ein Silberstreif am Horizont: Angesichts der massiven Proteste betroffener Tagesmütter ist die Verwaltung anscheinend bereit, einzulenken und die Kindertagespflegeentgelte in absehbarer Zeit („noch vor der Sommerpause“) anzuheben. Dies versicherte Sozialdezernent Ulrich Markurth dem erfreuten Publikum bei der Ratssitzung am 17. Februar 2009.
Den Antrag der GRÜNEN sowie die Stellungnahme des Sozialdezernenten zum Thema Kindertagespflegeentgelte finden Sie hier:
Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Erhöhung der Kindertagespflegeentgelte“ zur Ratssitzung am 17.02.2009:
„Der Rat der Stadt Braunschweig wird gebeten, zu beschließen:
Die Betreuungssätze pro Kind und Stunde für Personen, die in der Tagespflege tätig sind, werden rückwirkend zum 1. Januar 2009 zunächst auf 4,50 Euro erhöht. Ziel ist eine weitere stufenweise Erhöhung in den Folgejahren auf mindestens 6 Euro. Die hierfür erforderlichen Mittel werden in den Haushalt 2009 eingestellt.
Begründung:
Damit wird der Beschluss des Jugendhilfeausschusses vom 6. November 2008 bekräftigt.“
Dr. Elke Flake
Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses
Mitteilung der Verwaltung „Kindertagespflegeentgelte“ zur Ratssitzung am 17.02.2009:
„Rechtliche Grundlagen
Als Träger der öffentlichen Jugendhilfe legt die Stadt Braunschweig gem. § 23 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII auf dem Stand des Kinderförderungsgesetzes mit Inkrafttreten vom 1. Januar 2009 die Höhe der laufenden Geldleistungen für die Kindertagespflege fest, soweit das Landesrecht nichts anderes bestimmt.
Seitens des Landes Niedersachsen ist hierzu keine Regelung getroffen worden.
Gem. § 23 Abs. 2 SGB VIII umfassen die laufenden Geldleistungen
– die Erstattung angemessener Kosten, die der Tagespflegeperson für den Sachaufwand entstehen (§ 23 Abs. 2 Ziffer 1 SGB VIII),
– einen angemessenen Beitrag zur Anerkennung ihrer Förderleistung (§ 23 Abs. 2 Ziffer 2 SGB VIII),
– die Erstattung nachgewiesener Aufwendungen für Beiträge zu einer Unfallversicherung sowie die hälftige Erstattung nachgewiesener Aufwendungen zu einer angemessenen Alterssicherung der Tagespflegeperson (§ 23 Abs. 2 Ziffer 3 SGB VIII) und
– die hälftige Erstattung nachgewiesener Aufwendungen zu einer angemessenen Krankenversicherung und Pflegeversicherung.
Auf Grund von Änderungen im Steuerrecht werden die Entgelte der Tagespflegepersonen seit Anfang 2009 besteuert.
Geldleistungen
Die Stadt Braunschweig vergütet derzeit jede Betreuungsstunde mit 2,73 Euro. In Wolfenbüttel erhalten Tagespflegepersonen 2,65 Euro je Betreuungsstunde; in Salzgitter 3,20 Euro und in Wolfsburg 4,50 Euro.
Die Höhe des derzeitigen Entgeltes in Höhe von 2,73 Euro je Betreuungsstunde ist nicht unumstritten. Dies kam in diversen Aktionen der Tagespflegepersonen und entsprechenden Presseveröffentlichungen zum Ausdruck.
Auswirkungen der geänderten Rahmenbedingungen
Aktuell gibt es in Braunschweig 158 offiziell registrierte Tagespflegepersonen. Diese halten mit Stand 13. Februar 2009 440 Betreuungsplätze vor; betreut werden 437 Kinder.
Tagespflegepersonen werden in Braunschweig nach dem DJI-Curriculum (Empfehlung des Deutschen Jugendinstituts) im Umfang von 160 Stunden qualifiziert. Die aktuell laufenden Qualifizierungskurse sind mit 30 Teilnehmenden voll belegt. Für die im März bzw. April beginnenden Kurse liegen derzeit 11 Bewerbungen vor. Darüber hinaus haben 18 Personen Interesse gezeigt und den Wunsch zur Teilnahme an den Qualifizierungskursen geäußert.
Im Rahmen der natürlichen Fluktuation haben in den zurückliegenden Jahren durchschnittlich 65 Tagespflegepersonen ihre Tätigkeit eingestellt. In 2009 beträgt diese Zahl aktuell 35.
Hierbei handelt es sich zurzeit zwar noch um Einzelfälle, tendenziell ist jedoch davon auszugehen, dass immer weniger Tagespflegepersonen zur Verfügung stehen werden. Bei einem anzunehmenden Fortschreiten dieses Trends ist jedoch davon auszugehen, dass nicht nur die Ausbauziele der kommenden Jahre, sondern auch der Bestand der Tagespflegeplätze insgesamt gefährdet sind. Es ist nicht ausgeschlossen, dass freiwerdende Plätze bei Braunschweiger Tagespflegepersonen von Umlandkommunen genutzt werden, die teilweise deutlich höhere Stundenentgelte zahlen. Vor dem Hintergrund der Notwendigkeiten im Rahmen des U3-Ausbaus müssten fehlende Tagespflegeplätze mit der Schaffung von kostenintensiveren Krippenplätzen kompensiert werden, um die vorgeschriebene Versorgungsquote nach dem Kinderförderungsgesetz (KiFöG) zu erfüllen.
Finanzielle Auswirkungen
Eine Erhöhung der Stundenentgelte für Kindertagespflegepersonen würde mit Blick auf die Sozialversicherungs- und Steuerpflicht die Tagespflegepersonen finanziell entlasten. Gleiches gilt aus Sicht der Stadt Braunschweig für die öffentlich geführten Diskussionen zu dieser Thematik. Da die Tätigkeit finanziell attraktiver wäre, würden sich Rekrutierungsprobleme bzw. Fluktuationsprobleme minimieren.
Eine Erhöhung auf 4 Euro je Stunde und betreutem Kind würde, auch unter Berücksichtigung der besonderen sozialversicherungsrechtlichen Situation, einen Bruttomehrbedarf von jährlich ca. 900.000 Euro verursachen. Bei geringeren Stundenentgelten würde sich der Mehrbedarf verringern (400.000 bei 3,20 Euro je Betreuungsstunde / 550.000 Euro bei 3,50 Euro je Stunde). Eine Erhöhung auf 4,50 Euro je Betreuungsstunde wie in Wolfsburg verursacht einen Bruttomehrbedarf von ca. 1,2 Mio. Euro. Der Mehrbedarf müsste im Rahmen eines überplanmäßigen Aufwandes zur Verfügung gestellt werden.
Zur Refinanzierung durch Bundes-/Landesmittel, die den oben genannten Mehrbedarf entsprechend mindern würden, können noch keine konkreten Aussagen getroffen werden. Entsprechende Regelungen des Landes stehen noch aus. Auch aktuelle Nachfragen beim Land Niedersachsen vermitteln kein konkretes Bild, so dass zurzeit keine verbindlichen Angaben zu Höhe und Verfahren der Betriebskostenzuschüsse bei Tagespflege gemacht werden können.
Wegen der beschriebenen noch unklaren Gemengelage gibt es die Ende Januar wiederholte Empfehlung des Niedersächsischen Städtetages, vorerst keine finanzwirksamen Beschlüsse zu fassen. Vielmehr wird empfohlen, das weitere Verfahren zur Erstellung einer landesweiten Förderrichtlinie in den nächsten Wochen abzuwarten und sich parallel dazu zumindest regional bezüglich der Förderhöhe abzustimmen.
Dem würde die Verwaltung folgen wollen.
Sollte das zuständige Ministerium bei seiner Aussage bleiben, die Richtlinienänderung erst im August 2009 vornehmen zu können, behalten wir uns vor, dem Rat noch vor der Sommerpause einen Vorschlag zu unterbreiten, der die bis dahin bekannte Intention der Richtlinie aufzeigt und zu einer haushaltsmäßig verantwortbaren, aber deutlichen Erhöhung der Stundensätze führen würde.“
Ulrich Markurth
Sozialdezernent