18.05.2018 – Mit einem Fragenkatalog an den Braunschweiger Oberbürgermeister will die Grüne Ratsfraktion die Debatte um das Gewerbe- und Industriegebiet Braunschweig / Salzgitter vorantreiben. Das entsprechende Anschreiben ist am heutigen Freitag an Ulrich Markurth übersandt worden (siehe unten). Nach Auffassung der Grünen fehlt es der vor 14 Tagen präsentierten Machbarkeitsstudie in vielen Punkten an der notwendigen Tiefe, um eine fundierte Entscheidung treffen zu können. Die Ratsfraktion bittet den OBM deshalb darum, ihre Fragen umfassend zu beantworten.
Dazu der Grüne Ratsherr und Fraktionsvorsitzende Dr. Rainer Mühlnickel:

„Aus Sicht unserer Ratsfraktion ist der Bedarf für ein zusätzliches Gewerbe- und Industriegebiet dieser Größenordnung weder belegt noch gegeben. Keine/r kann bisher sagen, wie sich angesichts der rasanten Digitalisierung gerade im Bereich der Industrie die Produktion und die Anzahl der Arbeitsplätze entwickeln werden. Immerhin ist die Umsetzung des Gewerbe- und Industriegebietes auf mehrere Jahrzehnte angelegt. Die ökologischen Nachteile – insbesondere die enorme Flächenversiegelung und die zunehmende Verkehrsbelastung – liegen sichtbar auf der Hand und werden gravierende Auswirkungen auf die Lebensqualität haben. Bei einer Entscheidung solchen Ausmaßes ist eine gründliche Abwägung aller Vor- und Nachteile dringend erforderlich. Diese Gründlichkeit ist unseres Erachtens mit der Machbarkeitsstudie nicht gegeben.“
Zum selben Thema siehe auch:
„Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Markurth,
wie Sie wissen, haben wir erhebliche Bedenken hinsichtlich der Ausweisung und der Realisierung des neuen Gewerbe- und Industriegebietes Stiddien-Beddingen. Nach den derzeitigen Informationen aus der Machbarkeitsstudie halten wir eine Weiterverfolgung des Projektes nicht für geboten. Dennoch erscheint es uns notwendig, bei einem solchen Vorhaben, das natürlich einen sehr hohen Stellenwert hat, möglichst alle relevanten Informationen zu ermitteln und in die Abwägung einzubeziehen. Wir bitten Sie deshalb um Auskunft zu folgenden Fragen:
A. Fragen nach dem Bedarf / der Nachfrage und dem Flächenpotential
- Welche Gewerbe- oder Industriebetriebe haben im Laufe der letzten fünf Jahre in Braunschweig / Salzgitter nach Betriebsflächen gefragt, die aufgrund fehlender ausgewiesener Gewerbe- oder Industrieflächen nicht befriedigt werden konnten?
- Welche dieser Betriebe haben sich in Folge dessen außerhalb von Braunschweig / Salzgitter angesiedelt?
- Wie groß sind die Flächen, die in den letzten 10 Jahren mit neuen oder verlagerten Gewerbe- oder Industriebetrieben belegt worden sind?
- Wie groß sind die Flächen, die in den letzten 10 Jahren durch Umsiedlung von Gewerbe- oder Industriebetrieben in Braunschweig / Salzgitter frei geworden sind?
- Wie groß sind die Flächen, auf denen zuletzt Gewerbe- oder Industriebetriebe aktiv waren, die jetzt aber nicht mehr betrieben werden?
- Wie groß sind die Abstellflächen für PKW, die in Gewerbe- oder Industriegebieten liegen?
- Wie groß sind die Flächen, die in ausgewiesenen Industriegebieten zurzeit von Gewerbebetrieben belegt werden, die aufgrund ihrer Betriebsweise auch in „normalen“ Gewerbegebieten untergebracht werden könnten?
B. Frage zur Arbeitsplatzintensität der Flächen
- Wie hoch ist die Flächenkennziffer pro Arbeitsplatz in den verglichenen Gewerbe- und Industrieparks und wie erklärt sich die Annahme für das Braunschweiger Gebiet mit 350 m² / Arbeitsplatz?
C. Fragen zum Klimaschutz und Umweltwirkungen
- Zu welchem Ergebnis kommt eine Betrachtung der kumulierten Klimaschutzaspekte des Gebietes (Energiebilanzen, Schadstoffausstoß, Vernichtung von Bodenfunktionen, Ressourcenverbrauch usw.)? (Braunschweig hat sich im Klimabündnis verpflichtet, bis 2030 die CO2 –Emissionen im Stadtgebiet zu halbieren!)
- In der bisherigen Darstellung der „Klimawirkungen“ wird u.a. ausgeführt: „Potenzielle Emissionen des Gebiets werden schnell verdünnt und abtransportiert“. a) Gilt diese Aussage auch für die Stadtteile Üfingen und Thiede? b) Betrachtet die Verwaltung das Emissionsproblem als gelöst, wenn Luftschadstoffe „verdünnt und abtransportiert“ werden? c) Weshalb gibt es kein Gutachten über die potentiellen Luftschadstoffemissionen und deren Verteilung, bzw. von welchen Luftschadstoffemissionen und welcher Verteilung geht die Verwaltung aus?
- Wie groß sind die Flächen, die durch das Gewerbe- und Industriegebiet neu versiegelt werden und wo können in gleichem Umfang zum Ausgleich Entsiegelungen stattfinden?
- Wie beurteilt die Verwaltung die Nähe des Industrie- und Gewerbegebietes zum Übergabebahnhof Beddingen, über den in absehbarer Zeit in sehr großem Umfang radioaktive Stoffe, die in Schacht Konrad eingelagert werden sollen, umgeschlagen werden? Welche mit diesem Transport verbundenen Risiken sind in die Beurteilung der „Machbarkeit“ des Gebietes eingeflossen und wie werden Gefahren, die mit diesen Transporten verbunden sind, ausgeschlossen?
D. Fragen zu volkswirtschaftlichen Effekten
- Welche konkreten Kosten- / Nutzenpositionen sind mit welchen Beträgen in die Betrachtung der volkswirtschaftlichen Effekte eingeflossen?
- Wie sind die Verlusteffekte aus der Aufhebung der bisherigen Flächennutzung berücksichtigt worden?
- Wie sind mit neuen Arbeitsplätzen verbundene Aufwendungen der Kommunen für einen Ausbau der sozialen Infrastruktur kalkuliert?
- Wie sind die volkswirtschaftlichen Belastungen aus den gewährten Zuschüssen (Zinsen) berücksichtigt worden?
- Wie haben sich die landwirtschaftlich genutzten Flächen in der Stadt Braunschweig seit 1950 entwickelt und welchen Bedarf an landwirtschaftlichen Flächen sieht die Verwaltung für die Stadt Braunschweig?
E. Fragen zur Abwägung
- Welche konkreten abwägungsrelevanten Vorteile insgesamt erwartet die Verwaltung durch die Ausweisung des interkommunalen Gewerbe- und Industriegebietes für die Stadt Braunschweig und ihre Einwohnerinnen und Einwohner?
- Welche konkreten abwägungsrelevanten Nachteile erwartet die Verwaltung durch die Ausweisung des interkommunalen Gewerbe- und Industriegebietes für die Stadt Braunschweig und ihre Einwohnerinnen und Einwohner?
- Wie sind diese gewichtet und gegeneinander abgewogen worden und zu welchem Ergebnis kommt die Abwägung all dieser Aspekte durch die Verwaltung der Stadt Braunschweig?
Mit freundlichen Grüßen
i. A. Volker Schmidt“

Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
im Rat der Stadt Braunschweig
Rathaus, Zi. A 1.60/61
38100 Braunschweig
Tel.: 05 31/470-32 98
Fax: 05 31/470-29 83
E-mail: gruene.ratsfraktion(at)braunschweig.de
Internet: http://www.gruene-braunschweig-ratsfraktion.de
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