Ratsrede von Gordon Schnepel (11. Juni 2024)
Sehr geehrter Herr Ratsvorsitzender, liebe Ratskolleg:innen,
ich fange mal mit einer kleinen Schätzfrage an. Wieviel Prozent der aktuell landwirtschaftlich genutzten Fläche bräuchte Deutschland für die Freiflächen-Photovoltaik, um genügend Energie für die Klimaneutralität zu produzieren?
2 % – 2 % der landwirtschaftlichen Fläche wäre genug, um klimaneutrale Sonnenenergie Made in Germany zu produzieren.
Ob 2 % viel oder wenig sind – dazu gibt es wahrscheinlich verschiedene Bewertungen. Als Flächeneinheit wären das ca. 8.000 Quadratkilometer oder in einer viel physikalischeren Einheit knapp über eine Millionen Fußballfelder.
Ich verstehe die Skepsis, die manche haben, wenn solche großen Flächenmaße genannt werden. Gerade auch, weil wir ja über Landwirtschaftsflächen sprechen. Aber schauen wir uns doch einmal an, was aktuell auf unseren Landwirtschaftsflächen eigentlich wächst.
Auf 60 % wächst Tierfutter.
Nur auf ca. 20 % wächst tatsächlich Nahrung für Menschen.
Und auf 10 bis 15 % wachsen sogenannte Energiepflanzen. Das ist unter anderem das Zeugs, was in Ihrem Tank landet bei jeder Tankfüllung. Tatsache ist aber, dass Energiepflanzen eine so dermaßen ineffiziente Energiegewinnung sind, dass es eigentlich schon lange überfällig ist, sie von unseren Äckern zu vertreiben.
Ein kleines Beispiel – auf einem Hektar Acker könnte man Energiemais anpflanzen, aus dem dann Biogas erzeugt wird. Mit dem erzeugten Biogas könnte man 7 Haushalte ein Jahr versorgen.
Auf der gleichen 1 Hektarfläche würden Photovoltaik-Anlagen genügend Energie produzieren, um 230 Haushalte zu versorgen.
Die Energieeffizienz ist somit ungefähr 30mal höher.
Der Ausbau der Freiflächen-Photovoltaik wird also nicht dafür sorgen, dass wir weniger Nahrung in Deutschland anbauen können. Nein – der Ausbau wird dafür sorgen, dass so unsinnige Produkte wie Biodiesel vom Markt und Energiemais vom Feld verdrängt werden. Somit werden wir sogar zusätzliche Flächenkapazitäten für den direkten Nahrungsanbau auf unseren Feldern gewinnen, die wir zum Beispiel für die Biolandwirtschaft benötigen.
Damit tauschen wir Monokulturen wie Raps und Mais, die massenhaft Kunstdünger und Pestizide benötigen, gegen Photovoltaikflächen, die wahre Biotope sein können. Alle Studien zeigen, dass durch das blühende Zwischengrün Insekten, Vögel, Fledermäuse und bodennahe Tiere profitieren.
Bei all den Vorteilen, die ich aufgezeigt habe, ist es dramatisch zu sehen, dass Braunschweig absolutes Schlusslicht ist unter den kreisfreien Städten beim Ausbau der Freiflächen-Photovoltaik.
Daher begrüßen wir als Grüne Ratsfraktion es sehr, dass die Verwaltung nun endlich Flächen identifiziert hat, die sich für PV potentiell eignen und werden dieser Vorlage daher auch zustimmen.
Jedoch vermissen wir ein ambitioniertes Handeln, wenn es darum geht, nun auch ins Machen zu kommen. Seit geraumer Zeit geistern verschiedenste Ideen der Verwaltung und des Energieversorgers durch die Medien, wo Projekte vielleicht umgesetzt werden könnten. Aber wo bleiben denn die tatsächlichen Anträge für diese Projekte?
Leider sind wir als Grüne Ratsfraktion offenbar nicht die einzigen, die aktuell skeptisch sind, ob nach Konzepten und Ankündigungen tatsächlich Taten folgen. Alle der hier Anwesenden können sich anschauen, was im öffentlich einsehbaren Netzausbauplan steht.
Dort geht man davon aus, dass Braunschweigs Stromnetz bis 2045 lediglich für den Zufluss von 130 MW aus Freiflächen-Photovoltaik aufgerüstet werden muss. Die Stadtverwaltung selbst beziffert im Klimaschutzkonzept die notwendige Leistung für 2030 aber schon mit 200 MW.
Wir erwarten von der Verwaltung und vom Energieversorger, dass diese Widersprüche erklärt werden und dass mit den Zwischenberichten zum Integrierten Klimaschutzkonzept (IKSK) und mit dem Transformationsplan aufgezeigt wird, wie wir bis 2030 diese 200 MW auf das Feld und in das Netz bekommen.
Denn Potenziale aufzuzeigen, nützt uns nichts, wenn es offenbar an der Fähigkeit fehlt, diese Potenziale auch zu nutzen.
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