
In einer ganz persönlichen Rücktrittserklärung hat die langjährige GRÜNE Ratsfrau und Fraktionschefin Gisela Witte die Beweggründe für ihr am 6. Januar offiziell bekannt gegebenes Ausscheiden aus dem Rat der Stadt Braunschweig erläutert:
„Liebe Freundinnen und Freunde,
Ich möchte von meinem Ratsmandat aus persönlichen und beruflichen Gründen zurücktreten:
1. Persönliche und berufliche Gründe
In mehr als 12 Jahren Ratsarbeit habe ich viel gelernt und erlebt. Ich möchte diesen Lebensabschnitt nicht missen. Er hat aber auch Kraft und Zeit gekostet. Zusätzliche berufliche Anforderungen waren und sind zu bewältigen. Meine Familie, Freunde und nicht zuletzt Interessen wie Sport und Musik kamen oft zu kurz. Daher brauche ich jetzt eine Pause, um mein Kräfte zu erneuern und einiges aufzuarbeiten.
2. Günstiger Zeitpunkt
Der Zeitpunkt für einen Personalwechsel bei der GRÜNEN Ratsfraktion ist denkbar günstig. Mein Mit-Fraktionsvorsitzender Holger Herlitschke hat sich gut eingearbeitet und hat sich bereits Anerkennung in Rat, Verwaltung und Öffentlichkeit erworben. Auch die anderen „Neuen“ in unserer Fraktion stehen jetzt voll ihre Frau oder ihren Mann. Unsere derzeitige Fraktion zeichnet sich durch Kompetenz und Vielseitigkeit aus.
3. Rückschau
Die Arbeit im Rat der Stadt Braunschweig hat mir oft Spaß gemacht und war befriedigend. Dennoch braucht man einen langen Atem, um Erfolge der eigenen Arbeit messen zu können, und man muss sich darauf einstellen, dass kurzfristige Erfolge eher die Ausnahme sind.
Ein großartiger Erfolg war, dass nach gut 10 Jahren der Vertrag zur Müllverbrennung mit den BKB beendet und ein für die Bürger/innen der Stadt Braunschweig weitaus günstigerer Vertrag zur Entsorgung des Restmülls abgeschlossen wurde. Das hätte 1998, als die extrem ungünstigen Vertragsbedingungen bekannt wurden und die Müllgebühren plötzlich extrem anstiegen, kaum jemand zu hoffen gewagt. Durch unsere Beschwerde bei der EU wurde deutlich: Der Vertrag verstößt gegen geltendes Recht und muss weg.
Als einen weiteren Erfolg sehe ich an, dass auch ein extrem ungünstiger Vertrag zur Privatisierung der Braunschweiger Müllentsorgung – wiederum mit BKB – nicht zustande kam. Auch hier hätten die Gebührenzahler/innen bei geringeren Müllmengen zuzahlen müssen. Durch unsere Akteneinsicht wurde dieser Umstand bekannt.
Die Förderung von Solaranlagen durch die damals noch städtische Versorgungs-AG war ebenfalls ein gutes Ergebnis unserer Arbeit. Später wurde in diesem Zusammenhang der Öko-Stromtarif „Joschka“ geschaffen (den es heute noch unter verändertem Namen gibt), durch den in Zusammenarbeit mit der Naturstrom-AG der Ausbau regenerativer Stromerzeugung in unserer Region weiter vorangetrieben wurde.
Nicht zuletzt ist auch der kürzlich gefasste Ratsbeschluss, die Verwaltung möge im Zusammenhang mit dem Fernwärmeausbau über eine klimafreundlichere Energieerzeugung für die Fernwärme (weniger Kohle, mehr Gas) mit BS|ENERGY verhandeln, ein schöner Erfolg und ein Paradigmenwechsel auch für den Rat insgesamt.
Eine 4. IGS in Braunschweig – von manchen noch zu Beginn dieser Ratsperiode als Utopie belächelt – ist beschlossen und wird realisiert. Dieses Vorhaben haben wir kompetent begleitet und immer wieder mit vorangetrieben, wenn es aus ideologischen oder anderen Gründen zu Verzögerungen besonders bei der CDU/FDP-Ratsmehrheit kam.
Ein wichtiges Politikziel ist es, öffentliche Diskussionen anzustoßen. Das gelang z. B. im Zusammenhang mit dem geplanten Ausbau des Flughafens, als der Umweltausschuss, dessen Vorsitzende ich damals war, den Querumer Forst besichtigte und zum ersten Mal deutlich wurde, welche Ausmaße die Waldvernichtung durch die Startbahnverlängerung annehmen würde.
Die Privatisierungen der Versorgungs-AG und der Stadtentwässerung konnten wir nicht verhindern, aber es gelang, ein Nachdenken in der Öffentlichkeit über den Verkauf von öffentlichen Einrichtungen in Braunschweig zu erreichen.
Auch im Sozialbereich wurden verschiedene Diskussionen von uns überhaupt erst angestoßen. So stammte der erste Antrag, die Altenhilfeplanung zu aktualisieren, von unserer Fraktion. Auch der Runde Tisch „Kinderarmut“ wurde durch einen Haushaltsantrag unserer Fraktion mit angestoßen.
Die „Sparpolitik“ von Dr. Hoffmann und seiner CDU/FDP-Mehrheit, die darin besteht, bei sozialen und ökologischen Anliegen den Rotstift anzusetzen, aber für Prestigeprojekte wie die Otto-Ausstellung oder den „Schlossausbau“ großzügig Gelder bereitzustellen und den Haushalt aus dem Verkauf städtischen Eigentums zu sanieren, haben wir immer wieder kritisch begleitet.
Insgesamt ist es mir gelungen, GRÜNE Politik in Braunschweig glaubwürdig und kompetent zu gestalten und Umweltschutz, aber auch soziale Anliegen, zu Kernthemen in der Braunschweiger Öffentlichkeit zu machen.
Nun trenne ich mich – schweren Herzens, aber dennoch ohne Sorge um das Fortbestehen GRÜNER Ratspolitik – von meinen Fraktionskolleginnen und -kollegen, die ich allerdings privat und im Rahmen der GRÜNEN Partei treffen und daher nicht aus den Augen verlieren werde.
Aus der Politik möchte ich mich nicht für immer verabschieden, sondern lediglich eine „Atempause“ einlegen, die allerdings auch ihre Zeit braucht.
Ich bedanke mich bei allen, mit denen ich innerhalb und außerhalb der GRÜNEN zusammengearbeitet habe und wünsche Euch und Ihnen viel Erfolg, Kraft und Gesundheit für 2009 und die weitere Zukunft.“