Die Wohnraumkrise ist ein existenzbedrohendes Problem – auch in Braunschweig

Lisa-Marie Jalyschko

Stellungnahme unserer Fraktionsvorsitzenden Lisa-Marie Jalyschko

Wie viele andere Städte deutschlandweit hat es auch Braunschweig in den letzten Jahrzehnten flächendeckend versäumt, in den sozialen Wohnungsbau zu investieren. Stattdessen bauten private Investoren Wohnungen vor allem für die Bedürfnisse Wohlhabender. Das führte dazu, dass Wohnraum immer mehr zur Ware wurde, die Mieten kontinuierlich steigen und immer weniger Menschen eine bezahlbare Wohnung für sich und ihre Familien finden können. 

Es ist eine unserer wichtigsten politischen Aufgaben, dieser Entwicklung gegenzusteuern. Wohnen ist ein Menschenrecht und darf niemanden in Armut stürzen. Als Grüne Ratsfraktion sind wir der Überzeugung, dass die Stadt ihrer Verantwortung stärker gerecht werden muss, um dafür zu sorgen, dass Braunschweig auch in Zukunft ein Zuhause für alle sein kann – unabhängig vom Geldbeutel.

Eine echte Erfolgsquote: Die Quote für sozialen Wohnraum

Eine zentrales Instrument dafür ist die Quote für sozialen Wohnraum. Diese Quote wird in städtebaulichen Verträgen festgehalten und gibt an, welcher Anteil des Wohnraums sozialgebunden geschaffen werden muss. Dabei wird zwischen der Mietpreisbindung und der Belegungsbindung unterschieden. 

Wohnungen, die mietpreisgebunden sind, werden öffentlich bezuschusst und dürfen laut Niedersächsischem Wohnraumfördergesetz (NWoFG) eine Nettokaltmiete von 6,10 € / m² nicht überschreiten. Belegungsgebundener Wohnraum darf nur an Haushalte vermietet werden, die einen Wohnberechtigungsschein (B-Schein) haben. Um einen B-Schein zu erhalten, darf das Haushaltseinkommen eine bestimmte Obergrenze nicht überschreiten.

Derzeit beträgt die Quote für sozialen Wohnraum in Braunschweig 20 %. Durch einen Antrag der SPD, der GRÜNEN und der FRAKTION BS wurde die Quote mit Ratsbeschluss vom 24. Mai 2022 auf 30 % erhöht. Bei neuen Bauprojekten muss von nun an also fast ein Drittel aller neuen Wohnungen mit Sozialbindung gebaut werden. Damit folgen wir dem Beispiel vieler anderer Städte, wie z. B. Hannover oder Göttingen und erreichen ein wichtiges Ziel aus der kommunalen rot-grünen Kooperationsvereinbarung. 

Gleichzeitig ist uns klar, dass die Erhöhung der Quote nicht die eine Antwort auf all die unterschiedlichen Probleme, die die aktuelle Situation auf dem Wohnungsmarkt mit sich bringt, sein kann. Mittlerweile haben sogar Menschen, deren Einkommen (knapp) zu hoch für eine B-Schein-Berechtigung sind, Schwierigkeiten, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Insbesondere Wohnungen mit vier oder mehr Zimmern sind knapp, so dass Familien oft in beengten Verhältnissen leben müssen. Auf der anderen Seite fehlt es aber auch an bezahlbaren Kleinstwohnungen (<50 m²) und barrierefreien Wohnungen, die z. B. für wohnungslose oder pflegebedürftige Menschen sehr wichtig sind. 

Darüber hinaus spielen ökologische Aspekte verstärkt eine Rolle: Wie schaffen wir es, dass nachhaltige Baustoffe eingesetzt werden, die Flächenversiegelung minimiert wird und dass Quartiere klimaresistent gestaltet werden? 

Baukran in der Böcklerstr. (Foto: Barbara Schulze / April 2020)

Mit dem Braunschweiger Baulandmodell für die Zukunft bauen

Sozialgerechte, nachhaltige Baupolitik muss vieles leisten und dabei teils gegensätzliche Interessen abwägen. Die Quote kann also nur ein Baustein von vielen sein. Damit die Stadt Braunschweig ihre Steuerungsmöglichkeiten von Anfang an optimal nutzen kann, wurde im März 2021 der Baulandpolitische Grundsatzbeschluss gefasst. In diesem beschloss der Rat, dass die Stadt in Zukunft eine aktive Bodenvorratspolitik betreiben soll, um öffentliches Eigentum an Flächen zu sichern und zu erweitern. Außerdem sollen Instrumente entwickelt werden, die die Miet- und Bodenpreise effektiv dämpfen.

Nun wurde dieser Beschluss konkretisiert: Mitte Mai stellte die Verwaltung einen Entwurf für ein Braunschweiger Baulandmodell vor. Es wurde in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Institut für Urbanistik (DifU) entwickelt und soll die zukünftigen städtischen Leitlinien bei der Flächenentwicklung und im Wohnungsbau darstellen.

In Deutschland liegt die Planungshoheit bei den Kommunen. Das heißt, dass sie selbst entscheiden können, ob eine Fläche als Bauland ausgewiesen wird und wenn ja, unter welchen Bedingungen. Dies ist ein außerordentlich wichtiger und effektiver Hebel, über den die Stadt städtebauliche Entwicklungen gemeinwohlorientiert steuern kann.

Der Verwaltungsentwurf, der unter anderem in der letzten Sitzung des Braunschweiger Bündnisses für Wohnen diskutiert wurde, umfasst im Kern folgende Maßnahmen:

  • Die Stadt lässt Baulandentwicklung nur noch zu, wenn mind. 50 % der Fläche von der Stadt erworben werden kann. 
  • Flächen für öffentliche Zwecke (Kindergärten, Parkanlagen etc.) müssen unentgeltlich an die Stadt abgetreten werden.
  • 30 % der Wohnungen entstehen entsprechend der Sozialquote in Sozialbindung, weitere 10 % müssen mittels Mietpreisbindung für das mittlere Preissegment geschaffen werden.
  • Für die Hälfte des freifinanzierten Wohnungsbaus gilt eine Aufteilungsbeschränkung (Wohnungen müssen dauerhaft Mietwohnungen bleiben).
  • Der Verkauf oder die Verpachtung von Baugrundstücken erfolgt mittels Konzeptvergaben (es gewinnt die beste Idee, nicht der beste Preis), nach Höhe der Startmieten sowie nach Sozialkriterien.

Im Juni wird das Modell in den Ratsgremien diskutiert und am 5. Juli soll es im Rat endgültig beschlossen werden. Bis dahin werden wir in der Ratsfraktion intensiv darüber diskutieren und zu aus unserer Sicht noch verbesserungswürdigen Aspekten mit Änderungsanträge einbringen. 

Meldet Euch jederzeit gerne bei uns, falls Ihr Fragen, Hinweise oder Anregungen zu diesem Thema habt. Wir freuen uns über Eure Beiträge!

Fußnoten:

  1. Verträge zwischen der Kommune und privaten Bauträgern, in denen Bedingungen für ein Bauvorhaben verbindlich vereinbart werden
  2. Betrag der Miete, die nur für die Nutzung des Wohnraums anfällt, also keine Betriebskosten o. ä.
  3. https://www.braunschweig.de/vv/produkte/V/50/50_1/50_11/ag_zentrale_Stelle_fuer_Wohnraumhilfe/wohnberechtigungsbescheinigung.php

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