
Die Stadt Braunschweig ruft dazu auf, am Sonntag, den 3. Juli 2011 freiwillig auf die Autonutzung zu verzichten. Dies hat der Verwaltungsausschuss in seiner Sitzung am 12. April 2011 einstimmig beschlossen. Als Befürworter/innen einer Verkehrswende weg vom Auto hin zu Bus, Bahn, Fuß und Fahrrad tragen natürlich auch die GRÜNEN diesen VA-Beschluss mit. Gleichzeitig kritisieren sie aber das magere Engagement der Verwaltung in dieser Frage. Der GRÜNE Ratsherr Karl-Heinz Kubitza (Mitglied im Aufsichtsrat der Braunschweiger Verkehrs-AG) erläutert: „Man merkt der Beschlussvorlage an, dass die Idee des Autofreien Sonntags bei der Verwaltungsspitze nicht gerade auf Begeisterung stößt. Es werden weder Haushaltsmittel für städtische Werbemaßnahmen zur Verfügung gestellt, noch plant die Verwaltung für diesen Tag eigene Programmpunkte. Im Fokus ihrer Aktivitäten steht einzig und allein die Vermeidung negativer Reaktionen durch betroffene Veranstalter.“
Angesichts der Erfahrungen mit dem ersten und bisher einzigen Autofreien Tag in Braunschweig am Freitag, den 22. September 2000 sei diese defensive Herangehensweise ein Armutszeugnis für die Verwaltung und die – leider immer noch einflussreichen – Verfechter der „autogerechten Stadt“ im Rat. Der GRÜNE Ratsherr Burkhard Plinke (Mitglied in der Radverkehrskommission) ergänzt: „Vor zehn Jahren gab es unter dem schönen Motto „Clever in die City“ viele tolle Aktionen, die die Menschen zum „Umsteigen und Gewinnen“ bewegen sollten. Organisiert wurde das Ganze damals von einem Arbeitskreis aus 9 Organisationen, dem auch die Stadt Braunschweig angehörte. Diesmal soll es außer einem läppischen Aufruf zum freiwilligen Autoverzicht keine weiteren Aktivitäten geben. So überzeugt man die Menschen nicht!“
Wie es auch anders gehen könne, zeige das Beispiel des Autofreien Sonntags in Hannover. Hier werde die Innenstadt am 22. Mai 2011 bereits zum vierten Mal einen ganzen Tag lang für den motorisierten Individualverkehr gesperrt. Die Menschen kämen stattdessen gerne und in Scharen mit anderen Verkehrsmitteln in die City – zu Fuß, mit dem Rad, auf Inline-Skates oder per ÖPNV. Hannover wolle damit zeigen, „dass Klimaschutz Spaß machen kann und Mobilität auch mal ohne Auto funktioniert“ (siehe „Hannover autofrei erobern!“). Am 16. Mai 2010 hätten 100.000 Menschen mitgemacht. Dazu Karl-Heinz Kubitza und Burkhard Plinke: „Warum soll so etwas in Braunschweig nicht möglich sein? Wir GRÜNEN würden das jedenfalls sehr begrüßen!“
Ein autofreier Sonntag – ein guter Ansatz. Genauso wie der „CO2-Sparer-Tag“ der Braunschweiger Verkehrs-AG vom 11.04.2011. Löbliche, wenn auch schwache Ansätze, Autofahrer zum ÖPNV zu bringen – gerade in unserer „autoverliebten“ Stadt!
Aber:
Die heutigen Möglichkeiten ganz auf das Auto zu verzichten, sind sehr begrenzt. Man bedenke: Die Zuschüsse zum ÖPNV werden bundesweit gekürzt. Leidtragende sind vor allem die ländlichen Gebiete. Wir sehen es besonders in Braunschweig: Während die Braunschweiger Verkehrs-AG endlich Fahrgastzuwächse innerhalb unserer Stadt verzeichnen kann, sinkt der Anteil in der Fläche deutlich. Grund ist natürlich das äußerst schlechte Fahrangebot. Meist fahren wochentags nur sporadisch Busse – vor allem im Schülerverkehr morgens und mittags, am Wochenende findet öffentlicher Verkehr oftmals gar nicht statt.
Und nun soll auf das Auto verzichtet werden. Ein unmögliches Unterfangen, wie sich zeigt. Wie soll z.B. ein Schichtarbeiter zu den Schichtzeiten von Dettum nach Salzgitter kommen? Oder eine Krankenschwester aus Flöthe zu ihren wechselnden Dienstzeiten nach Wolfenbüttel? Oder wie soll eine Verkäuferin aus Didderse nach Ladenschluss um 21 Uhr von Braunschweig nach Hause kommen? Probieren Sie es aus – es geht nicht! Diese Szenarien funktionieren aber auch schon innerhalb Braunschweig nicht. Wer in Braunschweig wohnt und dort seinen Arbeitsplatz in einem Industriegebiet morgens um 5 erreicht haben muss, wird um diese Zeit vergeblich auf Busse oder Bahnen warten. Das ist die traurige Wahrheit.
Gerade von den arbeitenden Menschen wird höchste Flexibilität an ihrem Arbeitsplatz erwartet. Überall gibt es mittlerweile flexible Arbeitszeiten. Auch von Arbeitslosen und Hartz IV-Empfängern, die verzweifelt einen Arbeitsplatz suchen, wird Flexibilität an erster Stelle verlangt. Oder sollen all diese Menschen in die unmittelbare Nähe ihrer Arbeitsplätze ziehen? Wie soll das funktionieren? Extrem aber nicht unrealistisch: So etwas gibt natürlich in gewissen Ländern – wir nennen es „Slums“! Soll so etwas an den Stadträndern deutscher Städte durch immer weniger ÖPNV in der Fläche irgendwann entstehen?
Solche Aktionen „Weg vom Auto“ oder „Verzicht aufs Auto“ oder „Auf Bus und Bahn umsteigen“ klingen natürlich auf Anhieb immer sehr gut – funktionieren aber nur teilweise wie z.B. innerhalb der Großstädte wie Berlin oder München. Leider besteht Deutschland nicht nur aus diesen Großstädten.
Daher meine Bitte auch an die GRÜNEN: Sorgen Sie dafür, dass der ÖPNV massiv ausgebaut wird, Kürzungen in diesem Bereich zurück genommen und Gelder gezielt in diesen Bereich fließen. Und zwar nicht nur in die großen Ballungsgebiete sondern – vorrangig – in die ländlichen Gebiete. Denn auch dort wollen die Menschen sicher gern auf das Auto verzichten wollen – man muss ihnen nur eine Alternative anbieten. Heute ist diese Alternative jedoch nicht vorhanden und ein Verzicht auf das Auto schlichtweg pauschal nicht möglich!