„Stuttgart 21“: Spontaner Schwabenstreich und GRÜNE Solidaritätserklärung

"Schwabenstreich" am Braunschweiger Hauptbahnof (01.10.2010)Wir dokumentieren hier ein Schreiben aus Braunschweig an die Initiativen „Leben in Stuttgart“ und „Parkschützer“ sowie den Kreisverband und die Ratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen Stuttgart vom 5. Oktober 2010:

„Liebe Stuttgarterinnen und Stuttgarter,

angesichts des immer größer werdenden Widerstands gegen das Prestigeprojekt „Stuttgart 21“, das mittlerweile die ganze Republik in Atem hält, möchten wir unsere Solidarität mit Eurem/Ihrem friedlichen und phantasievollen Protest bekunden. Wir finden es toll, dass so viele Menschen in Eurer/Ihrer Stadt bereit sind, sich aktiv zu engagieren und einzumischen! Die Idee mit dem „Schwabenstreich“ finden wir so originell, dass wir hier in Braunschweig am letzten Freitag (1. Oktober 2010) spontan selber einen kleinen „Schwabenstreich“ vor unserem Hauptbahnhof veranstaltet haben. Dabei ging es natürlich vor allem darum, zu zeigen, dass wir Euer/Ihr Anliegen teilen und kein Verständnis für die brutale Polizeiaktion am Donnerstag (30. September 2010) gegen Euch/Sie haben. Die Strategie der Projektbefürworter, den legitimen Widerstand zu diskreditieren und zu kriminalisieren, darf und wird unseres Erachtens nicht aufgehen!

"Schwabenstreich" am Braunschweiger Hauptbahnhof (01.10.2010)„Stuttgart 21“ geht uns alle an!

Eure/Ihre Argumente und Aktionen gehen uns alle an, denn „Stuttgart 21“ wird sich bundesweit finanziell und strukturell auswirken. Schließlich sollen hauptsächlich die Steuerzahler/innen für die zu erwartende Kostenexplosion in Milliardenhöhe geradestehen. An anderer Stelle – so auch hier in Braunschweig – werden dagegen geringfügige Verbesserungen der Bahn-Infrastruktur jahrelang verzögert und verschleppt. So hat es trotz politischen Drucks unendlich lange gedauert, bis am Braunschweiger Hauptbahnhof Personenaufzüge zu den Bahnsteigen eingebaut wurden, und das ging dann auch nur mit Konjunkturmitteln des Bundes. Andere Investitionen rund um den hiesigen Hauptbahnhof – wie der Bau eines neuen Nahverkehrsterminals – wurden von Stadt, Land und Bund finanziert. Eigene Maßnahmen der Deutschen Bahn hier vor Ort? Nahezu Fehlanzeige! So lässt die Bahn ein Nebengebäude unseres Hauptbahnhofs, das seit Jahren ein Schattendasein fristet, mit der Begründung, es sei kein Geld für dessen Sanierung da, immer weiter verkommen. Eine bauliche Aufwertung sei nur möglich, wenn dort ein Riesen-Spielcasino einziehen dürfe, so die Argumentation der Bahn-Verantwortlichen. Da der Rat (inklusive unserer Fraktion) dies mehrheitlich nicht will, passiert nun erst mal – gar nichts! So sieht die traurige Realität jenseits des Vorzeigeprojekts „Stuttgart 21“ in Niedersachsen und sicherlich auch andernorts aus!

Machten ordentlich Krach beim "Schwabenstreich": Vorstandsmitglied Jutta Plinke mit Vuvuzela, Ratsherr Karl-Heinz Kubitza mit TrillerpfeifeKampf um Bürgerbeteiligung und Stadtentwicklung

Euer/Ihr Widerstand ist aber noch aus anderen Gründen wichtig und unterstützenswert: Der Kampf, der von Euch/Ihnen ausgetragen wird, ist nichts weniger als ein Kampf um echte Bürgerbeteiligung und den richtigen Fortschrittsbegriff. Wir Braunschweiger/innen können uns sehr gut mit Eurem/Ihrem Protest identifizieren, da wir ähnliche leidvolle Erfahrungen gemacht haben wir Ihr/Sie: Im Jahr 2005 wurde unser Schlosspark komplett zerstört, um auf dem Gelände ein Mega-ECE-Einkaufszentrum mit vorgehängter Schlossfassade errichten zu können. Eine Bürgerbefragung zu diesem extrem umstrittenen Projekt wurde von der CDU-/FDP-Ratsmehrheit ebenso abgelehnt wie ein Bürgerentscheid. Dabei waren im Rahmen eines Bürgerbegehrens über 30.000 Unterschriften für einen solchen Bürgerentscheid gesammelt worden (Braunschweig hat ungefähr 240.000 Einwohner/innen). Zu Beginn des Jahres 2010 wurde dann das Prestigeprojekt Flughafen-Ausbau in Angriff genommen, bei dem es vor allem darum geht, dass auch Flugzeuge hier starten und landen sollen, mit denen Manager des Volkswagen-Konzerns nonstop rund um den Globus fliegen können. Dafür werden dann große Teile unseres Querumer Forstes vernichtet, darunter jahrhundertealter wertvoller Baumbestand. Insgesamt fallen dieser Start- und Landebahnverlängerung nach Angaben von Bürgerinitiativen 60.000 Bäume zum Opfer. Nachhaltige und ökologische Stadtentwicklung sieht anders aus!

Wir wünschen Euch/Ihnen weiterhin viel Kraft und Ausdauer bei dem zu erwartenden langen Tauziehen um „Stuttgart 21“!

Mit solidarischen Grüßen –

Ratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen Braunschweig

(Holger Herlitschke, Elke Flake, Burkhard Plinke, Cornelia Rohse-Paul, Karl-Heinz Kubitza, Frank Gundel, Horst-Dieter Steinert, Barbara Schulze, Volker Schmidt, Sven Wöhler)“

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Ein Kommentar

  1. Liebe Mitglieder der Grünen Braunschweig,

    ich bin gebürtige Braunschweigerin, wohne aber inzwischen in Stuttgart. Über die Bilder von Ihnen am Braunschweiger Bahnhof, mit Trillerpfeifen im Mund, habe ich mich selbstverständlich sehr gefreut!
    Hier beschäftigt uns natürlich kaum ein Thema mehr als Stuttgart 21, und wir gehen immer wieder, mehrmals die Woche voll Entschlossenheit, Hoffnung, aber leider auch Enttäuschung auf die Straßen und in unseren Schlossgarten.
    Nachdem ich lange Zeit den Eindruck hatte, dass unser Anliegen in den Medien sehr schlecht vermittelt wurde, und sich daher viele Deutsche außerhalb Stuttgarts nur wundern, „was denn in die Schwaben gefahren sei“, scheint man uns nun endlich zu verstehen. Und ich freue mich sehr über die Solidarität, die uns inzwischen aus ganz Deutschland entgegen gebracht wird!
    Ihr Schreiben an die Stuttgarter Initiativen und die Grünen hier habe ich auf der K21-Seite entdeckt und war sehr berührt davon. Natürlich habe auch ich hier in Stuttgart oft an unseren Braunschweiger Schlosspark denken müssen. Ich versuche an das Gute zu glauben, dass es unserem Schlossgarten nicht genauso ergehen wird!
    Ich danke Ihnen vielmals für Ihr Engagement, den Braunschweigern wenigstens eine Minute lang sehr lautstark deutlich gemacht zu haben, dass Stuttgart 21 auch Sie etwas angeht!
    Wird es bald wieder einen Schwabenstreich bei Ihnen geben? Sollte ich zu der Zeit in meiner Heimat sein, würde ich Sie natürlich sehr gerne unterstützen!
    Mit freundlichen Grüßen
    Sabine Vogel